Unter Quarantäne gestellte Fluggäste, abgesperrte Behördengebäude, Eltern, die ihre Kinder nicht mehr in die Schule lassen wollen – Ebola ist schon lange keine Krankheit mehr, die nur Westafrika betrifft.

Paris. In Europa wächst die Angst vor einer Einschleppung des tödlichen Virus, auch wenn das Risiko einer Verbreitung eher minimal ist. Immer wieder kommt es zu Überreaktionen und falschen Alarmen, jedes noch so kleine Symptom wird als mögliches Anzeichen für Ebola gewertet.

„Es gibt eine Angst und ein neues Bewusstsein dafür, dass das Virus die Grenzen überschreiten kann“, sagt der Psychologe Nicolas Veilleux von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen. „Natürlich führt das zu Angstphänomenen.“

Große Sorge in Spanien

Gerade in Spanien, wo es den ersten und bislang einzigen bestätigten Fall einer Ansteckung mit Ebola in Europa gegeben hat, sind die Sorgen groß. Im Fokus: Das Madrider Krankenhaus Carlos III., wo sich die Krankenschwester Teresa Romero angesteckt hatte, als sie zwei mit Ebola infizierte Missionare pflegte. Mehrere Verdachtsfälle von Menschen, die mit der Krankenschwester womöglich Kontakt hatten, wurden in die Klinik eingeliefert und untersucht.

Als Fotos von ihnen am offenen Klinikfenster veröffentlicht wurden, riefen zahlreiche besorgte Menschen in dem Krankenhaus an – sie hatten Angst, dass das Virus sich über die Luft weiterverbreiten könnte. Dabei betonen die Behörden seit Wochen, dass eine Ansteckung nur bei direktem Kontakt mit einem Patienten oder seinen Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin oder Erbrochenem möglich ist. Eine Ansteckung ist zudem nur möglich, wenn ein Infizierter Krankheitssymptome aufweist.

Angst in Europa

Doch die Angst ist groß, dass jemand nach einer Infektion in Westafrika das Virus nach Europa einschleppt – noch vor dem Ausbruch der Krankheit und damit nicht feststellbar für die Kontrollen im In- und Ausland. Die unheimliche, unsichtbare Gefahr führt zu teils hysterischen Reaktionen. So weigerten sich Anfang Oktober Eltern im Pariser Vorort Boulogne-Billancourt, ihre Kinder in die Schule zu lassen – wegen eines Schülers, der vor kurzem aus Guinea zurückgekehrt war.

Wenige Tage später wurde ein Behördengebäude nahe Paris abgeriegelt, nachdem ein Mann afrikanischer Herkunft einen Schwächeanfall erlitten hatte und Ebola-ähnliche Symptome aufwies. Der Verdacht konnte aber schnell ausgeräumt werden.

In einer britischen Grundschule sollte laut Medienberichten ein Besuch eines Lehrers aus Ghana abgesagt werden. Die Eltern hatten Sorge vor Ebola geäußert, auch wenn Ghana gar nicht von der Epidemie betroffen ist. Nahe Manchester durfte ein Junge aus Sierra Leone, der jedes Jahr mit seiner Mutter nach Großbritannien reist und dort einige Tage auf die Schule geht, nicht mehr am Unterricht teilnehmen. Die Mutter beklagte, ihr Sohn werde behandelt wie ein „Lepra-Kranker“.

In Österreich wurde ein 15-jähriger Flüchtling aus Liberia in Quarantäne gebracht, obwohl er keinerlei Ebola-Symptom aufwies. Und in Italien wurde Alarm ausgelöst, nachdem ein Somalier in einem Behördengebäude Nasenbluten bekam – der Mann hatte Italien seit zwei Jahren nicht verlassen und litt unter einem epileptischen Anfall, wie sich später herausstellte.

„Phänomen der Psychose“

„Wir haben es mit dem Beginn eines Phänomens der Psychose zu tun, denn das Risiko ist begrenzt oder gleich null“, sagt der Psychologe Veilleux. „Es gibt eine Art Verzerrung zwischen der Realität und der Angst, sich anzustecken.“ Ein ähnliches Phänomen habe es bereits in den 1980er Jahren mit dem HI-Virus und Aids gegeben. Da helfe nur, die Öffentlichkeit zu informieren.

Informieren und beruhigen: Das Robert-Koch-Institut betont gleich auf seiner Internet-Startseite, selbst wenn das Virus nach Deutschland eingeschleppt werden sollte, wäre eine Weiterverbreitung „praktisch auszuschließen“: „Eine Gefährdung für die Bevölkerung besteht daher nicht.“