Helmut Kohl spricht auf der Frankfurter Buchmesse – allerdings sagt er nichts zu den umstrittenen „Kohl-Protokollen“. Der Altkanzler wirbt stattdessen für ein altes Buch zum Mauerfall und lächelt.
Frankfurt/Main. Der alte Mann im Rollstuhl lächelt milde und frohgemut in Richtung der vielen Kameras, als er auf einer halbkreisförmigen Bühne postiert wird. Sehr schmal und grau ist der 84-Jährige geworden. Kaum wiederzuerkennen im Vergleich zu den großen Fotos vom Buchcover, die ihn umrahmen. Helmut Kohl will am Mittwoch auf der Frankfurter Buchmesse eigentlich nur die Neuauflage eines Bands zum Mauerfall vorstellen. Doch der seit langem disponierte Auftritt des Altkanzlers am Stand von Droemer Knaur gerät zu einem gewaltigen Medienereignis.
Die ganze Welt würde gerne wissen, was Kohl von den umstrittenen Gesprächen seines früheren Ghostwriters Heribert Schwan hält, die am Tag vorher in den Handel gekommen sind und manches pikante Detail enthalten. Kohls Anwälte sind der Meinung, Schwan sei nicht berechtigt, über die Aufzeichnungen zu verfügen.
Doch zu den „Kohl-Protokollen“ aus den Jahren 2001 und 2002 äußert sich der Altkanzler nicht – genauso wenig wie seine Frau Maike Kohl-Richter. Sie betreut ihren kranken Mann auf der Messe mütterlich, wischt ihm mit einem Taschentuch mal über seine Wange, richtet ihm das Mikrofon ein oder hilft ihm, sein Buch für die Kameras hochzuhalten.
Kohl, der bei einem Treppensturz vor sechs Jahren ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, spricht dann doch. „Wenn Sie dieses Buch lesen, dann kennen Sie die Wahrheit und wie es wirklich war“, sagte er mit äußerst brüchiger Stimme, die nur schwer zu verstehen ist. Er meint natürlich nicht die „Kohl-Protokolle“, sondern seinen Jubiläumsband zum 25. Jahrestag der Wende. Dafür hat er ein neues Vorwort geschrieben. Mit den wenigen Sätzen, die Kohl unter großen Mühen spricht, will er seinen Lesern in schwierigen Zeiten ganz offensichtlich auch Mut machen. Fragen lässt der Verlag als Veranstalter nicht zu.
Nach 15 Minuten ist der ganze Auftritt vorbei. Doch der alte Mann kehrt bald zurück: Am 3. November will er in Frankfurt seinen neuen Band „Aus Sorge um Europa“ vorstellen – zusammen mit dem künftigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Es soll ein leidenschaftlicher Appell werden angesichts der Krisen allenthalben. Kohl habe vor dem Besuch der Messe am Mittwoch in Frankfurt auch die früheren US-Außenminister Henry Kissinger und James Baker getroffen, sagt der Verlagschef von Droemer Knaur, Hans-Peter Übleis. „Bei Helmut Kohl ist vieles anders als im Normalfall.“