Die Ebola-Epidemie breitet sich immer schneller aus. Mehr als 20.000 Menschen könnten sich in den nächsten Monaten laut WHO mit dem lebensgefährlichen Erreger anstecken.
Genf. Dramatisches Seuchen-Szenario: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtet mehr als 20.000 Ebola-Infizierte in den kommenden Monaten. Das teilte die Behörde am Donnerstag in Genf bei der Präsentation eines Notfallplans mit. Selbst bei vollständiger Umsetzung des Plans könne die Epidemie in Westafrika noch neun Monate andauern. Neue Statistiken der Behörde zeigen, dass sich die Krankheit immer schneller ausbreitet.
Die Zahl der bestätigten und Verdachtsfälle stieg demnach bis zum 26. August in Guinea, Liberia, Nigeria und Sierra Leone auf insgesamt 3069. Etwa jeder zweite Infizierte (1552) starb. Tatsächlich könnten die Zahlen zwei bis vier Mal so hoch liegen, warnte die WHO.
Mehr als 40 Prozent der registrierten Erkrankungen wurden in den vergangenen drei Wochen erfasst. Bekannt ist der Ausbruch seit fünf Monaten. Die Sterblichkeit in Westafrika liegt nach Angaben der WHO im Mittel bei 52 Prozent. Sie reicht von 42 Prozent in Sierra Leone bis 66 Prozent in Guinea. Den Statistiken zufolge forderte die derzeitige Epidemie bislang ähnliche viele Menschenleben wie alle früheren Ebola-Ausbrüche zusammen. Laut WHO waren vor dem aktuellen Ausbruch insgesamt 2387 Ebola-Erkrankungen erfasst, 1590 Infizierte starben.
Der Notfallplan sieht unter anderem den Einsatz von mehr als 13 000 Fachkräften in jenen Regionen vor, die am schlimmsten von dem Virus betroffen sind. 750 davon sollen internationale Spezialisten sein. Die Gesamtkosten schätzt die WHO auf mehr als 370 Millionen Euro innerhalb der kommenden sechs Monate.
„Es handelt sich nicht um eine westafrikanische Angelegenheit, sondern um eine Frage der globalen Gesundheitssicherheit“, sagte der Vizegeneraldirektor der Organisation, Bruce Aylward. Ziel des Plans ist es, dass die Infektionszahlen in den besonders betroffenen Gebieten binnen drei Monaten nicht mehr steigen. Zudem soll die Übertragung des Erregers in Haupt- und Hafenstädten gestoppt werden.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen begrüßte das Vorhaben, warnte aber vor überzogenen Hoffnungen. „Ein Plan muss ausgeführt werden“, sagte Brice de le Vingne, Leiter der Projektabteilung. Keine Organisation habe zurzeit die Kapazität, die Epidemie einzudämmen.
Der nigerianische Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu bestätigte den ersten Ebola-Toten außerhalb von Lagos. Demnach starb der Arzt, der einen Ebola-Patienten behandelt hatte, am 22. August in dem Öl-Handelsplatz Port Harcourt. „Nachdem seine Witwe den Tod gemeldet hatte, haben wir den Fall gründlich untersucht und die Laboranalyse zeigt, dass der Arzt an der Ebola-Viruserkrankung starb“, sagte der Minister. Insgesamt kamen in dem Land sechs Menschen durch Ebola ums Leben, die WHO ging von 17 Infektionen aus.
Zum Zustand des Ebola-Patienten in Deutschland äußerten sich die Ärzte am Donnerstag nicht. „Wir sind nicht von der Schweigepflicht entbunden“, sagte eine Sprecherin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Der WHO-Mitarbeiter war am Mittwoch mit einem Spezial-Jet im Hamburg eingetroffen und wird auf der Sonderisolierstation der Klinik behandelt. Der Mann, der aus Senegal stammt, hatte sich laut WHO in einem Labor in Sierra Leone infiziert.
Wie schwierig die Arbeit der Helfer in Westafrika ist, berichtete Anja Wolz von der Organisation Ärzte ohne Grenzen. „Keine einzelne Organisation hat die Kapazitäten, um all das zu managen“, betonte sie im „New England Journal of Medicine“. Die Reaktion auf die Krise sei zu langsam gewesen. „Wir müssen dem Ausbruch einen Schritt voraus sein, aber derzeit sind wir fünf Schritte hintendran“, berichtete die Krankenschwester aus der Stadt Kailahun in Sierra Leone.
Für Helfer sei es frustrierend zu sehen, wenn Kranke zu spät kommen – „und zu wissen, dass viele sich verstecken, aus Angst vor den Folgen einer Diagnose mit dieser stigmatisierten Krankheit“. Ein Patient habe ihr berichtet, dass etwa 13 Familienmitglieder an Ebola gestorben seien. „Alles, was er weiß, ist, dass er nun allein ist.“
Die WHO äußerte sich auch zum Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo, bei dem 13 von 24 Erkrankten starben. Die Übertragung des Virus auf den Menschen gehe offenbar auf den Verzehr von Wild zurück, teilte die WHO unter Berufung auf kongolesische Behörden mit. Erstes Opfer war demnach eine Schwangere, die Fleisch eines erlegten Tiers gegessen hat. Sie stark am 11. August.
Bei Ritualen in Zusammenhang mit ihrer Beerdigung sowie in einem medizinischen Zentrum habe sich das Virus ausgebreitet. Insgesamt könnten sich 80 Menschen in der Provinz Equateur angesteckt haben. Die WHO geht davon aus, dass es sich um einen isolierten Ausbruch handelt, der nicht mit der Epidemie in Westafrika zusammenhängt. Es wäre der siebte in dem Land seit der Entdeckung des Virus 1976.
Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, erwartet kein erhöhtes Ebola-Risiko durch Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. „Sie kommen aus anderen Regionen Afrikas, also in erster Linie aus Regionen, in denen kein Ebola-Virus auftritt“, sagte Burger im ARD-Morgenmagazin. Die Inkubationszeit liege bei acht Tagen bis maximal drei Wochen. „Die Flüchtlinge haben in der Regel eine längere Anreisezeit. Das heißt, sie würden vorher Krankheitssymptome zeigen.“