Es ist ein kleines Stück Papier, magentafarben, nicht viel größer als ein Daumenabdruck – und jetzt die teuerste Briefmarke der Welt. Die „British Guiana“ stellt in New York einen neuen Auktionsrekord auf.
New York. Der Star des Abends ist aus Papier, magentafarben und nicht viel größer als ein Daumenabdruck. Auf schwarzem Samt gebettet liegt die „British Guiana 1c magenta“ vorn im Auktionssaal im siebten Stock des New Yorker Sotheby's-Auktionshauses auf einem Sockel hinter Sicherheitsglas. Mit vier Schlägen seines Holzhammers durchbricht Auktionator David Redden die angespannte Stille der Zuschauer im Saal. 4,5 Millionen Dollar ruft er als Startgebot für die Briefmarke auf.
Rund fünf Minuten später hat sich der Preis mehr als verdoppelt und der Hammer ist erneut gefallen: Nach einem Bieterwettstreit geht die „British Guiana“ für 9,5 Millionen Dollar (etwa 7 Millionen Euro) an einen per Telefon mitsteigernden anonymen Interessenten – und ist damit die teuerste Briefmarke der Welt. Ein Auktionsrekord, aber die Magenta-Marke ist auch nichts anderes gewöhnt: Jedesmal, wenn sie bislang versteigert wurde, hat sie den Weltrekord geknackt, zuletzt 1980, als sie 935 000 Dollar kostete.
„Wir sind begeistert über diesen Rekordpreis, das ist ein wirklich großartiger Moment in der Geschichte des Briefmarkensammelns“, sagt Auktionator Redden, der als Kind selbst gesammelt hat. „Der Preis wird schwer zu schlagen sein und wahrscheinlich nicht mehr übertroffen werden, bis die „British Guiana“ wieder zur Versteigerung angeboten wird. Ich muss sagen, es tut mir ein bisschen leid, sie gehen zu sehen.“
Aber trotz Weltrekord – so richtig zufrieden kann das Auktionshaus mit dem Ergebnis nicht sein, schließlich war die Marke im Vorfeld auf bis zu 20 Millionen Dollar geschätzt worden. Soviel sei sie dann anscheinend wohl doch niemandem wert gewesen, heißt es unter Experten. Bislang galt die schwedische „Tre Skilling Banco“ aus dem Jahr 1855 als teuerste Briefmarke der Welt. Der einzige Fehldruck der Marke – gelb statt grün – wurde 1996 in der Schweiz für 2 875 000 Franken (rund 1,8 Millionen Euro) verkauft.
Eine der begehrtesten Marken ist auch die legendäre „Blaue Mauritius“. Der Einzelpreis des 1847 auf der Insel im Indischen Ozean herausgegebenen kleinen Wertpapiers wird auf bis zu 500 000 Euro geschätzt. Die „Rote Mauritius“ ist in sehr gutem Zustand sogar bis zu 700 000 Euro wert.
„Mount Everest der Briefmarken“
Zum „Mount Everest der Briefmarken“ hatte Auktionator Redden die „British Guiana“, die wohl 1856 in der damaligen britischen Kolonie British Guiana in Südamerika herausgegeben wurde, vor der Versteigerung ausgerufen. Für Laien wirkt das Objekt der Begierde auf den ersten Blick schwer zu entziffern: Die Vorderseite ist dunkelmagenta mit schwarzem Druck und Kritzeleien, die Rückseite etwas verblassteres Magenta mit noch mehr Stempeln und Kritzeleien.
Die vielen Markierungen erzählen die bewegte Geschichte der Marke. Neben dem Aufdruck eines Bootes ist auf der Vorderseite eine große schwarze Unterschrift zu sehen. „Die Marke wurde eher grob gemacht und der Postchef hatte Angst, dass Menschen sie fälschen könnten. Deshalb hat er jedes einzelne Exemplar von einem Postmitarbeiter signieren lassen“, hatte Auktionator Redden bei der offiziellen Vorstellung des Stücks vor einigen Tagen erklärt. Tausende Exemplare könnte es einmal gegeben haben, jetzt ist aber dem Auktionshaus zufolge nur noch diese eine übrig. Deren Echtheit habe die Königliche Philatelistengesellschaft in London zweimal bestätigt.
Auf der Rückseite der Briefmarke haben sich fast alle einstigen Besitzer der Marke verewigt. Entdeckt wurde das Stück einst der Legende nach wohl von einem 12-jährigen Schüler, der 1873 in den Schränken und Schubladen seiner Familie gekramt hatte. Danach geriet sie irgendwie in die Sammlung des Österreichers Philippe von Ferrary, der als einer der bedeutendsten Briefmarkensammler überhaupt galt. Im 20. Jahrhundert ging sie durch die Hände zahlreicher US-Millionäre, bis sie 1980 der Chemie-Magnat John du Pont ersteigerte. Er starb 2010 im Gefängnis, wo er eine Strafe wegen Mordes absaß. Seine Nachfahren hatten die Marke zur Auktion freigegeben.
Wer auch immer die „British Guiana“ nun besitzt – das Interesse an dem Stück wird riesig bleiben. Mehrere Museen und Briefmarkenausstellungen haben Auktionator Redden zufolge schon darum gebeten, das nun teuerste Stück Papier der Welt ausstellen zu dürfen.