Das Schicksal der verschwundenen Maschine der Malaysian Airlines bleibt rätselhaft. Eine Entführung gilt als immer wahrscheinlicher. Nach Angaben der Airline kam der letzte MH370-Funkspruch wohl vom Co-Piloten.
Kuala Lumpur/Canberra. Die Suche nach der vermissten Passagiermaschine der Malaysian Airlines erstreckt sich mittlerweile von Kasachstan bis zu den abgelegenen Kokosinseln im Indischen Ozean fast 5000 Kilometer weiter südlich. Die Hintergründe des Verschwindens des Flugzeugs waren nach wie vor unklar. Doch der Co-Pilot funkte offenbar „Alles klar, gute Nacht“ zur Erde, obwohl die Kommunikationssysteme der Maschine bereits absichtlich abgestellt worden waren, was den Verdacht einer Entführung durch ihn oder mehrere Mitglieder der Crew erhärtete.
Australien habe einen großen Teil des Suchgebiets im südlichen Indischen Ozean übernommen, teilte Ministerpräsident Tony Abbott am Montag nach einem Telefonat mit dem malaysischen Regierungschef Najib Razak mit. Dieser südliche Korridor, der als eine der möglichen Routen des Flugzeugs nach ihrem Verschwinden galt, umfasst auch die abgelegenen Kokosinseln, wo Australien bereits mit Flugzeugen nach der Maschine sucht. Zwei weitere sollten binnen 24 Stunden ihren Einsatz beginnen, sagte Abbott.
Der nordwestlichste Teil des möglichen Flugkorridors war Kasachstan, wo am Montag ebenfalls mit der Suche begonnen wurde, wie der malaysische Verteidigungsminister Hishammuddin Hussein mitteilte. Experten halten den südlichen Korridor allerdings für wahrscheinlicher, weil dort die Radarabdeckung weniger genau ist. Um nach Kasachstan zu gelangen, hätte die Maschine mehrere andere Staaten mit dichtem Flugverkehr überqueren müssen.
Die Passagiermaschine mit 239 Menschen an Bord war auf dem Flug von Kuala Lumpur nach Peking am 8. März verschwunden. Die Ermittler gehen inzwischen davon aus, dass der Kurs des Flugzeugs absichtlich geändert wurde und die Maschine noch mehrere Stunden weiter flog. In welche Richtung ist aber unklar.
Weil auch die Kommunikationssysteme des Flugzeugs vorsätzlich abgeschaltet wurden, erhärtete sich der Verdacht, dass die Piloten oder zumindest einer der beiden etwas mit dem Verschwinden der Maschine zu tun gehabt haben könnten. Zudem funkten sie „Alles klar, gute Nacht“ an die Flugkontrolle, obwohl bereits eines der Kommunikationssysteme des Flugzeugs gekappt worden war. Diese Worte dürften vom Co-Piloten gekommen sein, sagte der Chef der Malaysia Airlines, Jauhari Yahya, am Montag bei einer Pressekonferenz. Zunächst war unklar gewesen, ob er, der Pilot oder möglicherweise eine dritte Person die letzten Worte vor Verschwinden des Flugzeugs gesagt hatte.
Piloten-Selbstmord ist ein Tabu-Thema
Eine Entführung der vermissten Maschine erscheint immer wahrscheinlicher. Eine andere Möglichkeit wäre - selbst wenn sie noch so unwahrscheinlich anmutet - der Selbstmord eines der beiden Piloten, die den Jet lenkten.
Solche Fälle der Selbsttötung hat es in der Geschichte der modernen Luftfahrt bereits gegeben, wenn auch selten. Doch Ermittler und Regierungsvertreter scheuten davor zurück, von einem Selbstmord zu sprechen. Dies kam einem Tabu gleich - auch wenn noch so offensichtlich war, dass ein Pilot willentlich eine Maschine abstürzen ließ und damit auch andere Menschen in den Tod riss.
So tauchte in einem Abschlussbericht der US-Ermittlungsbehörden zum Absturz einer Maschine der EgyptAir 1999 vor der Küste von Massachusetts kein einziges Mal das Wort „Selbstmord“ auf - obwohl die Transportsicherheitsbehörde zum Schluss gekommen war, dass das Vorgehen des Co-Piloten den Absturz von Flug 990 und damit den Tod aller 217 Menschen an Bord verursacht hatte. Vielmehr schrieben die Ermittler, das Motiv für sein Handeln sei „nicht feststellbar“ gewesen.
Im selben Bericht heißt es, Co-Pilot Gamil Al-Batuti habe den Autopiloten ausgeschaltet, als er sich allein im Cockpit befand. Dann habe er die Maschine bodenwärts gedreht und elfmal die Worte „Ich verlasse mich auf Gott“ gesprochen. Die ägyptischen Behörden schlossen die Vorstellung eines Selbstmords sogar rundweg aus und bestanden darauf, dass ein technischer Defekt das Unglück verursacht habe.
Der Aufprall einer Maschine der SilkAir, einer Tochter von Singapore Airlines, stellte die Behörden vor ein ähnliches Dilemma im Umgang mit der Wahrheit. US-Ermittler fanden heraus, dass die Boeing 737 auf ihrem Flug von Jakarta nach Singapur 1997 absichtlich zum Absturz gebracht wurde und in einen Fluss stürzte - alle 104 Menschen an Bord kamen dabei ums Leben. Die Untersuchung der indonesischen Behörden kam derweil zu keiner schlüssigen Erkenntnis.
In Mosambik schließlich starben im vergangenen November beim Absturz einer Maschine der Mozambique Airlines 33 Menschen. Die vorläufigen Ermittlungen deuten ebenfalls auf eine gewollte Aktion des Piloten hin. Derzeit wird nach möglichen Motiven für diesen Selbstmord gesucht.
Eine 2014 von der US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration veröffentlichte Studie kam zu dem Schluss, dass zumindest in den USA das Flugzeug ein sicheres Transportmittel bleibt und Selbstmorde von Piloten selten vorkommen. Untersucht wurden dafür 2758 Flugzeugabstürze, die sich zwischen 2002 und 2012 ereignet hatten. Lediglich acht davon, oder 0,3 Prozent, gingen auf Selbstmord zurück.
Die Studie fand weiter heraus, dass alle acht Selbstmörder Männer waren, vier davon wurden positiv auf Alkohol getestet und zwei auf Antidepressiva. Ihre Motive waren höchst unterschiedlich: Einer der Piloten brachte sich um, weil eine Frau keine Beziehung mit ihm wollte. Ein 69-Jähriger hatte Probleme mit Alkohol und öfter damit gedroht, sich mit einem Flugzeug umzubringen. In sieben der Fälle starb lediglich der Pilot, in einem achten auch ein Passagier.
„Selbstmorde mit Flugzeugen sind tragische, geplante Ereignisse, die kaum vorhersehbar sind und die man schwer vermeiden kann“, hieß es in dem Report der Luftfahrtbehörde. Die FAA schrieb aber auch, Selbstmorde würden „höchstwahrscheinlich“ nicht immer gemeldet und unterschätzt.