Es war eine Tat aus „abgrundtiefem Hass“ auf die Polizei, die Hinrichtung des Polizeihauptmeisters Vieth. Der Verurteilte hatte schon einmal einen Polizisten umgebracht. Nun muss er wohl bis ans Lebensende in Haft.
Augsburg. Der zweifache Polizistenmörder darf niemals wieder zur Gefahr werden, entschied das Augsburger Landgericht. Die Richter verurteilten den 58 Jahre alten Serienverbrecher und Doppelmörder am Donnerstag zur höchstmöglichen Strafe: lebenslange Haft und Sicherungsverwahrung. Der Prozess gegen den Bruder des Verurteilten war abgetrennt worden.
Der Mann hatte nach Überzeugung des Gerichts in einer Oktobernacht 2011 den Augsburger Polizisten Mathias Vieth mit einem Sturmgewehr kaltblütig hingerichtet. Bereits 36 Jahre vorher, im März 1975, hatte der Angeklagte unter ganz ähnlichen Umständen einen Polizisten bei einer Autobahnraststätte erschossen. Etwa 20 Jahre saß der Mann dafür schon im Gefängnis. Seit seiner Jugend hat der Mann eine Straftat nach der anderen begangen, neben den zwei Morden beispielsweise brutalste Raubüberfälle.
Angeklagter bepöbelt Richter
Und seine Aggressivität will der 58-Jährige selbst beim Urteilsspruch nicht verbergen. Wüst beschimpft er den Vorsitzenden Richter Christoph Wiesner und nennt das Urteil der Strafkammer eine „Kloake“. Wiesner, der mit seiner Urteilsbegründung gerade erst begonnen hat, reagiert erstaunlich gelassen und mit einer Breitseite gegen den gerade Verurteilten: „Sie sind unglaublich leicht auszurechnen.“ Die Kammer habe mit solchen Ausfällen gerechnet und dies schon vorab beraten, verrät der Richter. Umgehend wird der von mehreren Polizisten schwer bewachte Angeklagte aus dem Gerichtssaal verwiesen.
Ein Jahr lang hatte die Strafkammer zahlreiche Zeugen und Gutachter gehört, um eines der spektakulärsten Verbrechen der vergangenen Jahre in Bayern aufzuklären. Es gab keine eindeutigen Beweise, aber eine erdrückende Fülle von DNA-Spuren und weitere Indizien, die gegen den 58-Jährigen und dessen zwei Jahre älteren Bruder sprachen. In ihrem Umfeld wurde ein ganzes Waffenarsenal, teils mit Kriegswaffen, sichergestellt. Das Bundeskriminalamt konnte nachweisen, dass einige Waffen mit dem Mord an Vieth in Zusammenhang stehen. Im Prozess verplapperte sich der 58-Jährige einmal sogar, als er über Vieths Taschenlampe sprach. Die Lampe kam in dieser Form in den Akten nicht vor, der Angeklagte habe unbewusst „Täterwissen“ offenbart, befand das Gericht.
Angeklagter musste Fußfesseln tragen
An allen Verhandlungstagen musste der 58-Jährige permanent Fußfesseln tragen, obwohl etliche Polizisten das Augsburger Strafjustizzentrum in ein Hochsicherheitsgebäude verwandelten. Der 58-Jährige brachte seine Missachtung der Justiz immer wieder zum Ausdruck. Selbst beim Urteilsspruch blieb er demonstrativ sitzen, während alle anderen im Saal wie üblich standen.
Nach dem Mord an Vieth wurde mit unglaublichem Aufwand ermittelt, alle Möglichkeiten der Kriminaltechnik inklusive 3D-Simulation der Tat wurden angewandt. Die Fahnder gehen davon aus, dass die beiden Brüder vor zweieinhalb Jahren einen weiteren Raubüberfall planten, als die Streife sie mitten in der Nacht überraschte. Die beiden Männer flohen auch nach Überzeugung der Richter schwer bewaffnet auf einem gestohlenen Motorrad, im Augsburger Stadtwald stürzen die Flüchtenden. Die Polizisten steigen aus, rechnen damit, Erste Hilfe leisten zu müssen. Die wilde Schießerei, die dann folgte, hätten sie nicht erwarten können, betont Wiesner – denn: „Wir befinden uns immer noch in Augsburg, nicht in der Bronx, in Chicago oder sonst wo.“
Vieths Kollegin überlebt mit viel Glück
Dutzende Kugeln fliegen in den kommenden Minuten durch den Wald. Der 41-jährige Vieth verschießt alle Patronen aus seiner Dienstwaffe und auch aus dem Reservemagazin, die Täter haben sogar Kalaschnikows. Der Beamte wird schließlich von dem 58-Jährigen mit einem der Schnellfeuergewehre hingerichtet, aus „abgrundtiefem Hass“ auf die Polizei und den Staat überhaupt, meint der Richter. Vieths Streifenkollegin überlebt mit viel Glück: Ihr Reservemagazin hält eine Kugel ab, die sie sonst möglicherweise tödlich getroffen hätte. Die Täter können zunächst entkommen, zwei Monate später werden die Brüder festgenommen.
Nach dem Urteil wegen Mordes und versuchten Mordes wird der 58-Jährige voraussichtlich nie mehr in Freiheit kommen. „Zwei getötete Polizeibeamte sind wahrlich genug“, betont der Richter. Doch seine beiden Verteidiger wollten einen Freispruch und haben umgehend Revision beim Bundesgerichtshof angekündigt.
Ohnehin war der Prozess gegen den 58-Jährigen nur das erste Kapitel. Denn dessen 60 Jahre alter Bruder, der lange Zeit mit ihm auf der Anklagebank saß, befindet sich zwar noch in Untersuchungshaft, ist aber noch nicht verurteilt. Sein Verfahren wurde abgetrennt, weil der Angeklagte an Parkinson leidet und im September 2013 zunächst für verhandlungsunfähig erklärt wurde. Demnächst soll der 60-Jährige wieder untersucht werden. Dann wird entschieden, ob er noch einmal vor Gericht gestellt wird. „Wir wissen noch nicht, ob das Verfahren wieder beginnt“, betonte Wiesner.