Drogenbanden haben ein neues Geschäftsfeld: In USA und Europa gestohlene Smartphones verkaufen sie in Südamerika. Grund: Der staatlich kontrollierte Anbau und Vertrieb von Marihuana rückt näher.
Bogota/New York. Der Code der Aktion ist bewusst dramatisch formuliert: „S.O.S: Secure our Smartphones“, lautet das Motto einer gemeinsamen Kampagne, mit der die Behörden in den USA, Europa und Lateinamerika der internationalen Handy-Mafia das Handwerk legen wollen. Gerade in amerikanischen Metropolen ist die Zahl der gestohlenen Smartphones in den vergangenen Monaten dramatisch gestiegen. Auch Londons Bürgermeister Boris Johnson ist in Aufruhr – angesichts von mittlerweile 10.000 Geräten, die jeden Monat in seiner Stadt gestohlen werden. „Städte wie London, New York und San Francisco stehen vor den gleichen Herausforderungen“, sagt Johnson. Deswegen werde sich London an der Kampagne beteiligen, „um eine sichere globale Lösung zu finden“. Und um den kriminellen Markt mit geklauten Handys in den Griff zu bekommen.
Die Kernforderung lautet: Es muss ein neues Programm entwickelt werden, das Smartphones nach einem Diebstahl automatisch unbrauchbar macht. Eine südkoreanische Firma hat bereits vorgeschlagen, teure Geräte mit einer App zu versehen, die bei Diebstahl die Selbstzerstörung befiehlt.
Die Hintermänner der Smartphone-Mafia sind international organisiert. Oft sind sie identisch mit der lateinamerikanischen Drogenmafia. Die Kartelle aus Mexiko, Kolumbien, Venezuela und Mittelamerika sind derzeit auf der Suche nach lukrativen neuen Geschäftsmodellen – weil der staatlich kontrollierte Anbau und Vertrieb von Marihuana näher rückt. Uruguays Präsident José Mujica hat kurz vor dem Jahreswechsel ein umstrittenes Gesetz zur Legalisierung von Cannabis unterzeichnet. „Wir müssen der Mafia das Geschäft wegnehmen“, begründete Mujica diese weltweit beachtete Initiative.
Die Regierungen in Lateinamerika verfolgen das Experiment mit großem Interesse. Das Magazin „The Economist“ hat Uruguay wegen seiner Experimentierfreude sogar zum Land des Jahres gekürt. Geht der Plan Mujicas auf und macht das Beispiel Schule, müsste sich die Drogenmafia tatsächlich neue Geschäftsfelder suchen. Ein erster Versuch ist offenbar der schwunghaft gestiegene Handel mit Smartphones.
Kolumbiens Kartelle, die in den vergangenen Jahren stets die Ersten waren, die mit kriminellen Innovationen überraschten, haben nach Medienberichten aus Bogotá bereits ein weitverzweigtes Netz von Zulieferern aus den USA, Kanada und Europa aufgebaut. Kolumbiens Technologieminister Diego Molano bestätigte vor wenigen Monaten, was internationale Sicherheitsbehörden längst vermuteten: „In Kolumbien gibt es eine international agierende Handy-Mafia.“
Teure Smartphones, die in diesen Ländern regulär nur für umgerechnet einige Hundert Dollar zu erwerben sind, werden auf dem lateinamerikanischen Schwarzmarkt zu deutlich günstigeren Preisen massenhaft angeboten. In Kolumbiens Hauptstadt Bogotá werden die gestohlenen Handys auf offener Straße angeboten, aber auch in kleinen Läden. In Venezuela gibt es bekannte Treffpunkte für den Schwarzmarkthandel: Jeder, der ein Handy sucht, weiß, dass es im Zentrum der Hauptstadt Caracas äußerst günstige Offerten gibt. Woher die Handys kommen, will niemand so genau wissen.
Die wachsende Nachfrage nach Handys stillen die Banden durch Raubzüge in den reicheren Gegenden der Stadt. Oder sie greifen auf gestohlene Ware direkt aus den USA und Europa zurück. Deswegen, so vermuten die Ermittler, steigen in Lateinamerika, aber eben auch in den USA, London und sogar in Berlin sprunghaft die Diebstahlraten.
Nach Erkenntnissen der kolumbianischen und mexikanischen Behörden nutzt die Mafia das Vertriebsnetz, das sie über die Jahre für ihren Drogenhandel aufgebaut hat. Versteckte Routen aus Südamerika in den reichen Norden – zu Wasser, zur See und in der Luft – haben sich für den Schmuggel von Kokain oder Marihuana bewährt. Nun werden diese Kanäle nach Erkenntnissen der Polizei auch für den Handy-Schmuggel in die andere Richtung genutzt.
Die kolumbianischen Behörden versuchen nun mit einem „weltweiten Pakt gegen den Raub von Mobiltelefonen“ diesen Handel zu stoppen. Nach einem Bericht der Tageszeitung „El Tiempo“ unterzeichneten Scotland Yard, Interpol, Ameripol und das FBI bereits das Abkommen.
New Yorks Staatsanwalt Erick Schneiderman traf sich kürzlich mit Vertretern der Smartphone-Hersteller Apple, Google, Samsung und Microsoft. Hinter verschlossenen Türen ging es um mögliche technische Lösungsansätze. „Unsere Parameter für eine erfolgreiche Lösung des Problems sind klar“, sagte Schneiderman danach – und bekräftigte das Ziel der Kampagne: Jedes gestohlene Mobiltelefon müsse für den Dieb nutzlos gemacht werden können. Der Kampf gegen die Smartphone-Kartelle ist eröffnet.