Zwar hatte „Wetten, dass..?“ an einem schwachen Fernsehabend die meisten Zuschauer – aber der Abwärtstrend bleibt
Hamburg. Die große Frage nach der neunten Ausgabe von „Wetten, dass..?“ mit Markus Lanz lautet nicht etwa, wie lange die ZDF-Moderatoren-Allzweckwaffe noch zu halten sei, sondern: Wie lange will der Sender das Konzept einer großen Sonnabendabendshow für die ganze Familie noch zwangsbeatmen? An einem insgesamt schwachen Fernsehabend reichte es zwar zum ersten Quotenplatz. Aber der Siegeslorbeer dürfte bitter schmecken, geht er doch mit einem historischen Tiefstand einher. Nur noch 6,55 Millionen Menschen schauten zu.
Kann das allein Lanz’ Fehler sein? Es ist einfach, die Schuld auf den auch am Sonnabend zumeist farblos und zwischenzeitlich überfordert wirkenden Moderator zu schieben. Doch darf man nicht vergessen: Quoten von mehr als 50 Prozent – in absoluten Zahlen jenseits der zehn Millionen Zuschauer – sind Geschichte und lange her. Tiefpunkt beim Intermezzo von Wolfgang Lippert vor 20 Jahren waren fast 13 Millionen Zuschauer; man holte Thomas Gottschalk zurück. Aber auch der blond gelockte Vorzeigeentertainer konnte den Abwärtstrend von „Wetten, dass..?“ nicht aufhalten. Sein letzter echter Erfolg war die Abschiedssendung im Dezember 2011. Und auch deren knapp 15 Millionen Zuschauer reichten bei Weitem nicht an die Traumquoten der 80er-Jahre heran, als die Show tatsächlich das Lagerfeuer war, um das sich die ganze Republik versammelte.
Und war „Wetten, dass..?“ damals so anders als heute? Eben nicht: Seinerzeit wie heute wurden körperliche und geistige Inselbegabungen, grobe Maschinen, mit denen feinmotorische Tätigkeiten erledigt wurden, und harmlose Merkwürdigkeiten präsentiert. Dazu durften sich die Gäste über ihre aktuellen Produkte verbreiten, über diese und jene Nichtigkeit plaudern. Die Konstanz der Show war früher ihr Segen. Aber er ist zum Fluch geworden: Veränderungen wie die nach dem Wechsel von Gottschalk zu Lanz werden kritisch beäugt, verlacht und lassen die Quoten abstürzen. Auf breiter Basis wird danach die Rückkehr zum Altbewährten gefordert. Wenn aber genau das passiert, das ZDF hektisch zurückrudert und jegliche Anmutung von Privatfernsehen zurück in den Keller unter dem Lerchenberg verbannt, dann wird die Kritik nicht leiser, sondern lauter. Zu Recht, denn sieht man den Tatsachen ins Auge, ist es nicht Lanz, sondern das Gesamtkonzept, das spätestens mittelfristig zum Scheitern verurteilt ist. Diese Mischung aus Promi-Schaulaufen, Integration der Gastgeberstadt durch eine Außenwette und der beizeiten wie eine Freakshow anmutenden Wetten – sie wirkt im Zeitalter von Smartphones und Internet, von YouTube und Twitter wie aus der Zeit gefallen: ein Dinosaurier im Streichelzoo.
Im Juni, beim Debakel des Sommer-Specials von Mallorca, versank man vor Fremdscham in den Sofakissen, wenn man Gerard Butler dabei zuschaute, wie er sich Eiswürfel in die Hose goss. In Bremen vor einem Monat und am Sonnabend in Halle tat man sich schwer, die Augen aufzuhalten. Moderator wie Gäste sorgten vor allem für eines: für Langeweile. Will man wirklich Céline Dion beim Gurgeln und Armin Rohde zum dritten Mal in seiner „Wetten, dass..?“-Karriere beim Entblättern zusehen? Müssen Wettkandidaten wie der Schweizer Köbi Schwitter, der mit seinem übergroßen Lungenvolumen zum fünften Mal in der Show auftrat, von Lanz danach gefragt werden, ob sie für ihre Leistungen trainieren? Ausgerechnet Lukas Podolski, ganz Fußballer und dementsprechend kein Rhetorikgenie, wirkte ehrlich um ein Gespräch bemüht – und wurde von Lanz ständig unterbrochen. Immerhin bekam er mit dem auswendig die letzten zehn Bundesliga-Saisons herunterbetenden Wettkönig Johannes Witzenrath einen passenden Kandidaten zugeteilt.
Und es bräuchte schon eine Rampensau vom Kaliber Stefan Raabs, um aus der ausnehmend grässlichen Zungenkuss-Wette – bei der es um die Ermittlung der Zahncreme ging – irgendeinen Unterhaltungswert zu extrahieren. Nicht einmal die Hoffnung auf ein Skandälchen erfüllte sich. Pop-Exhibitionistin Miley Cyrus geriet gleich mit in die Langeweile, trällerte ein Liedchen, beantwortete nichtssagend nichtssagende Fragen und hopste wieder von dannen.
Nein, Lanz macht „Wetten, dass..?“ nicht besser. Mit Unvorhergesehenem umzugehen liegt ihm nicht. Céline Dion gegenüber blieben ihm die Worte weg, als diese nicht dort sitzen mochte wo geplant. Und als Elyas M’Barek es wagte, die Zahnpasta-Wette mit dummen (und tatsächlich lustigen) Sprüchen zu stören, wurde ihm von Lanz wenig elegant der Mund verboten. Doch er schadet der Show auch nicht wirklich. Die sinkenden Zuschauerzahlen allein ihm anzulasten hieße, den Reifen an einem Trabi zu wechseln (wie Model Barbara Meier das zur Strafe für die verlorene Wette tun musste), der ohnehin auf dem Weg in die Schrottpresse ist.