In Deutschland und anderen EU-Ländern werden die Uhren am Wochenende um eine Stunde zurückgestellt. In Spanien plädiert das Parlament dafür, die Zone der Mitteleuropäischen Zeit ganz zu verlassen.
Madrid. Vor 14 Uhr isst in Spanien kaum jemand zu Mittag. Das Abendessen gibt es erst gegen 22 Uhr, dann beginnen auch die beliebtesten Sendungen im Fernsehen. Die Übertragung von Fußballspielen dauert häufig bis Mitternacht. Die Spanier hinken in ihrem normalen Tagesablauf den Bewohnern anderer Länder zeitlich hinterher. Dies hat nach Ansicht von Experten nicht damit zu tun, dass die Spanier „Nachtmenschen“ sind, sondern dass ihr Land im Grunde einer falschen Zeitzone angehört.
„Wir leben mit einem permanenten Jetlag“, sagte die Ökonomin Nuria Chinchilla. Das spanische Parlament sprach sich kürzlich dafür aus, die Uhren dauerhaft um eine Stunde zurückzustellen – und nicht nur allein für die Winterzeit, wie die Staaten der Europäischen Union dies am kommenden Wochenende tun werden. Danach sollte Spanien künftig nicht mehr – wie Deutschland oder Frankreich – der Mitteleuropäischen Zeitzone angehören, sondern die Greenwich-Zeit einführen, die auf den Kanarischen Inseln sowie in Ländern wie Großbritannien oder Portugal gilt.
Die Regierung sagte zu, das Anliegen zu prüfen, wies aber darauf hin, dass ein Wechsel der Zeitzone kein einfaches Unterfangen sei. Der größte Teil des spanischen Territoriums liegt noch weiter westlich als der Nullmeridian von Greenwich, der der Greenwich Mean Time (Westeuropäische Zeit) ihren Namen gab. „Die offizielle Zeit in Spanien stimmt in keiner Weise mit der Sonnenzeit überein“, heißt es in einem Gutachten, das dem Parlament vorgelegt wurde. „An der Mittelmeerküste beträgt die Differenz im Winter eine und im Sommer zwei Stunden. In Galicien im Nordwesten Spaniens sind es sogar zwei beziehungsweise drei Stunden.“
„Eigentlich müssten wir erst um 10 Uhr anfangen zu arbeiten“, sagte Chinchilla. „Aber das tun wir nicht.“ Die Spanier legen vielmehr eine lange Mittagspause von zwei oder drei Stunden ein und haben später Feierabend als andere Europäer. Zudem haben sie, wie die Experten beklagen, abends weniger Zeit für die Familie und gehen später zu Bett. „Wir schlafen in Spanien im Durchschnitt pro Nacht 53 Minuten weniger als die anderen Europäer“, sagte Ignacio Buqueras, Präsident einer Initiative, die sich seit Jahrzehnten für eine dauerhafte Zeitumstellung einsetzt.
Spanien hatte bis 1942 zur Zone der Westeuropäischen Zeit gehört. Der Diktator Francisco Franco (1939-1975) ließ – wohl aus Sympathie für das Hitler-Regime in Deutschland – die Mitteleuropäische Zeit einführen. Nach dem Ende der Diktatur änderten die demokratischen Regierungen daran nichts mehr, wahrscheinlich weil sie in der gemeinsamen Uhrzeit ein Zeichen für die Bindung Spaniens an Europa sahen.
„Die späten Essenszeiten entsprechen nicht dem natürlichen Biorhythmus des Körpers“, sagte die Medizinerin Susane Monereo der Zeitung „ABC“. „Sie bringen die Hormone durcheinander. Wenn wir unsere Uhrzeit der – von der Sonne bestimmten – biologischen Uhr anpassten, profitierten alle davon.“ Allerdings räumen die Experten ein, dass ein Wechsel der Zeitzone nur ein erster Schritt sei. „Die Spanier müssten ihren gewohnten Tagesablauf ändern“, betont Buqueras. „An die Stelle einer Siesta von zwei oder drei Stunden müsste eine Mittagspause von 30 oder 40 Minuten treten.“
Mehrere Firmen und Behörden haben eine solche Umstellung längst eingeleitet. Denn die traditionelle Siesta hat ihren Sinn verloren, weil die heutigen Pendler nicht mehr dazu kommen, den von Medizinern empfohlenen Mittagsschlaf zu halten. „Die Umstellung wird eine komplizierte Aufgabe sein, weil sie eine Änderung unseres täglichen Lebensablaufs bedeutet“, heißt es in der Entschließung des Parlaments. „Aber sie wird uns in vielen Aspekten wie der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit an Europa annähern.“