Nachdem eine deutsche Urlauberin auf Maui an den Folgen eines Hai-Angriffs gestorben ist, soll das Verhalten der Meeresräuber genauer erforscht werden. Haie sind für Menschen eigentlich kaum gefährlich.
Bremen. Eine deutsche Schnorchlerin paddelt durch türkisgrünes Meer, sie schwimmt nur 50 Meter vor der Ferieninsel Maui. Plötzlich wird die junge Frau aus der Tiefe von einem Hai angegriffen. Er reißt ihr den Arm ab. Die 20-Jährige aus dem hessischen Zierenberg kämpft eine Woche im Krankenhaus um ihr Leben, am Mittwoch stirbt sie an ihren Verletzungen. Nach bereits acht Angriffen in diesem Jahr wollen die hawaiianischen Behörden das Verhalten der Haie nun genau erforschen.
Nicht nur in Hawaii, auch an den Küsten Floridas, Australiens und Südafrikas werden Surfer und Schwimmer immer wieder von Haien angegriffen. Doch Horrorszenen, wie sie sich im Meer vor Maui abspielten, sind nach Ansicht von Experten sehr selten. „Das ist ein tragischer Unfall. Aber nur ein Unfall“, sagt Gerhard Wegner von der Haischutzorganisation Sharkproject. „Wir befinden uns nicht im Nahrungsspektrum dieser Tiere. Sie jagen uns nicht und sie wollen uns auch nicht fressen.“
Tatsächlich ist die Gefahr eines Haifisch-Angriffs für Menschen äußerst gering. Weltweit registriert die Universität von Florida jährlich rund 80 unprovozierte Attacken der Raubfische auf Menschen, nur ein Bruchteil davon endet tödlich. Meist lassen die Fische nach einem Testbiss wieder von Schwimmern ab. Im Jahr 2012 verloren insgesamt sieben Menschen bei Hai-Angriffen ihr Leben. „Und wir haben Milliarden von Wassersportvorgängen in Hai-Gebieten“, meint Wegner. Dem Hai-Experten zufolge sterben jedes Jahr mehr Menschen durch umfallende Getränkeautomaten.
„Haie sind nicht gefährlicher als Hunde“
Trotzdem ist der Hai gefürchtet wie kaum ein zweites Tier. Henning May taucht jede Woche mit einem Tigerhai im Stralsunder Ozeaneum. Er ist vorsichtig und respektvoll, wenn er in das Becken steigt. „Sie sehen furchteinflößend aus, gelten als Könige der Meere, ganz ohne natürliche Feinde“, sagt May. Der Taucher will dem 2,60 Meter langen Tier nicht zu nahe kommen, damit es nicht in Panik gerät. Trotzdem hat May keine Angst: „Haie sind nicht gefährlicher als Hunde.“
Experten kämpfen seit Jahren gegen den Mythos um „das Meeresmonster“. „Die Angst ist tief in uns drin. Seit der Zeit als wir von Säbelzahntigern gejagt wurden, haben wir Angst vor dunklen, unbekannten Tiefen und vor spitzen Zähnen. Für all das steht der Hai“, erklärt Gerhard Wegner. „Dabei müssten wir heute eher genetische Ängste vor Bankberatern und Investmentbankern entwickeln.“
Film und Fernsehen schüren die Urängste vor dem Hai. Auch der Unfall in Hawaii zieht ein großes Medienecho nach sich. „In der Zeitung werden die Tiere als menschenfressende Bestien dargestellt“, beschwert sich Hai-Taucher May. „Es ist verwunderlich, dass Haie in Medien so aufgebauscht werden, aber Löwen und Elefanten nicht“, meint auch Biologin Heike Zidowitz von der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft, die sich dem Schutz der Tiere verschrieben hat.
Die irrationale Furcht des Menschen ist wohl auch der größte Feind der Meeresräuber. Die allgemeine Angst schwächt die Lobby der Haischützer. Von weltweit mehr als 500 Haiarten stehen bereits mehr als 70 auf der Roten Liste bedrohter Arten. Im Kontrast zu der Handvoll Menschen, die jährlich von den Raubfischen attackiert wird, verenden nach Angaben der Umweltstiftung WWF jedes Jahr bis zu 100 Millionen Haie in Fischernetzen – meist nur, um ihre Flossen abzuhacken, die vor allem in Asien als Delikatesse gelten.
Die EU hat mittlerweile etliche Hai-Arten unter Schutz genommen und die Verstümmelung der Haifische verboten. Auch Tauchsportler entdecken mehr und mehr die Schönheit der Raubfische. „In vielen Ländern wird den Menschen bewusst, dass Haifische faszinierende Tiere sind“, meint Biologin Zidowitz. Organisationen wie Sharkproject kämpfen um das Image der Fische. „Wir versuchen aus einem Menschenfresser ein ganz normales Raubtier zu machen“, sagt Wegner. „Der Hai ist zwar kein Schoßtier, aber weit entfernt von einem Menschenfresser oder Monster.“