Amanda Berry, Gina DeJesus und Michele Knight waren jahrelang vermisst - jetzt wurden die jungen Frauen aus einem Haus in Ohio befreit. Drei Verdächtige wurden festgenommen, doch das Verschwinden bleibt rätselhaft.
Chicago/Cleveland/Washington. Die USA staunen und freuen sich über das spektakuläre Ende dreier offenbar miteinander in Verbindung stehenden Entführungsfälle: Drei vor rund zehn Jahren verschwundene Frauen sind in einem Haus in Cleveland im Bundesstaat Ohio lebend gefunden worden. Drei verdächtige Brüder wurden nach Polizeiangaben festgenommen. Zwei der Frauen waren noch Teenagerinnen, als sie letztmals gesehen wurden. Der Polizeichef von Cleveland äußerte die Vermutung, dass die Frauen in dem Haus gefesselt gewesen seien.
Ein Nachbar wurde am Montagnachmittag auf den Fall aufmerksam, als eine der Frauen ihren Arm durch einen Riss in der Tür des Hauses streckte und um Hilfe schrie. „Ich hörte Schreie, und ich sah dieses Mädchen, das wie verrückt versuchte, aus dem Haus zu gelangen“, sagte Charles Ramsey einem örtlichen Fernsehsender. Er habe den unteren Teil der Tür eingetreten, und die Frau sei mit einem kleinen Mädchen im Arm durch das Loch ins Freie geklettert.
Die durch Ramsey befreite Amanda Berry rief aus einem Nachbarhaus per Telefon die Polizei: „Ich bin Amanda Berry. Ich wurde entführt. Ich werde seit zehn Jahren vermisst. Ich bin frei. Ich bin jetzt hier“, rief die Frau bei ihrem Notruf. Sie flehte die Polizisten an, in das Haus im Westen Clevelands zu kommen, bevor der Mann zurückkomme.
Wenige Minuten stürmte die Polizei das Haus und befreite auch Gina DeJesus und Michele Knight. Alle drei seien „anscheinend bei guter Gesundheit“, erklärte die Polizei. Berry war zunächst die einzige, die sich als Entführungsopfer bezeichnete. Die Polizei machte zunächst keine Angaben zur Identität der verhafteten Männer und die Vorwürfe, die ihnen gemacht werden könnten.
Hausbesitzer galt als freundlich
Die Frauen wurden nur wenige Kilometer von dem Innenstadtbezirk entfernt gefunden, wo sie zuletzt gesehen worden waren. Das Haus wurde von einem Großaufgebot von Ermittlern und Polizisten durchsucht. Die drei Frauen seien dort seit ihrem Verschwinden festgehalten worden, hieß es.
Wie die Polizei von Cleveland im Bundesstaat Ohio auf ihrer Facebook-Seite mitteilte, wurden drei Verdächtige im Alter zwischen 50 und 54 Jahren festgenommen. Medien berichteten, es handle sich um drei Brüder, was die Polizei zunächst nicht bestätigte. Der Besitzer des Hauses, in dem die drei Frauen gefangen gehalten worden waren, wurde von Nachbarn als freundlicher Schulbusfahrer und Musiker beschrieben. Seine Tochter sei häufig mit ihren Kindern zu Besuch gekommen.
Berry war laut FBI 16 Jahre alt, als sie nach der Arbeit in einem Fastfood-Restaurant verschwand. Das war am 16. April 2003 - einen Tag vor ihrem 17. Geburtstag. DeJesus verschwand ein Jahr später auf dem Heimweg von der Schule, sie war damals 14. Knight war nach Medienberichten 21 Jahre alt, als sie im August 2002 letztmals gesehen wurde.
Im vergangenen Januar wurde ein Mann zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er falsche Hinweise zur Begräbnisstätte Berrys gemacht hatte. Im Fall DeJesus waren 2004 zwei Männer verhaftet worden. 2006 wurden sie freigelassen, weil in ihrem Haus nicht die Leiche von DeJesus gefunden wurde.
Jubelfeier auf den Straßen
Die Details der jahrelangen Gefangenschaft der drei Frauen waren zunächst noch unklar, Mindestens eine von ihnen brachte in der Zeit jedoch offenbar ein Kind zur Welt. Clevelands Bürgermeister Frank Jackson erklärte seine Dankbarkeit darüber, „dass diese drei jungen Frauen gefunden wurden und leben.“ Es gebe jedoch noch viele offene Fragen in dem Fall, die Ermittlungen liefen. Die Polizei kündigte für Dienstagmorgen (Ortszeit) eine Pressekonferenz an.
Nach der dramatischen Befreiung der Frauen versammelten sich hunderte jubelnde Menschen in der normalerweise ruhigen Wohnstraße und feierten die Nachricht, dass die Vermissten noch am Leben sind. Eine Schulfreundin von DeJesus, Kayla Rogers, sagte der Zeitung „Cleveland Plain Dealer“, ihr fehlten die Worte vor Erleichterung: „Normalerweise werden Vermisste nie gefunden“, betonte sie.
Bürgermeister Frank Jackson erklärte, er sei dankbar, dass Amanda Berry, Gina DeJesus und Michelle Knight lebend gefunden worden seien. „Wir haben viele unbeantwortete Fragen bezüglich des Falles und die Ermittlungen werden weitergehen.“
Nach Angaben der Polizei wurden Berry, Gina DeJesus und Michele Knight in ein Krankenhaus gebracht. Ein Notarzt, der die Frauen untersuchte, sagte, sie seien in guter Verfassung. „Dies ist nicht das Ende, das solche Geschichten normalerweise nehmen, deswegen freuen wir uns sehr für sie“, sagte der Mediziner Gerald Maloney vor Reportern.