Die US-Bundespolizei FBI ermittelt nach dem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon in alle Richtungen. Wer hinter der Tat steckt und warum die Laufveranstaltung zum Ziel wurde, war zunächst unklar.
Boston. Bei dem Anschlag auf den Marathon in Boston sind entgegen erster Angaben doch nur zwei Bomben gelegt worden. Der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick, teilte am Dienstag mit, es seien doch keine nicht-explodierten Sprengkörper gefunden worden.
Bei dem Anschlag waren am Montag drei Menschen getötet worden, darunter ein achtjähriger Junge. Wie es am Dienstag hieß, wurden 176 Personen verletzt. Weitere Drohungen seien nicht bekannt, und es werde in verschiedene Richtungen ermittelt, erklärte der zuständige Ermittler Richard DesLauriers.
Unter den drei Todesopfern des Anschlags auf den Marathon in Boston ist nach US-Medienberichten eine 29 Jahre alte Frau. US-Medien identifizierten sie am Dienstag als Krystle Campbell. „Sie war eine fröhliche, offene Person. Alle ihre Freunde liebten sie“, sagte ihre Großmutter Lillian Campbell in einem Telefoninterview des Fernsehsenders CNN.
Zunächst hatten die US-Behörden mitgeteilt, es seien neben den explodierten Bomben noch zwei weitere Sprengsätze entlang der 42 Kilometer langen Strecke in der Innenstadt entdeckt worden, die nicht hochgegangen waren. Sie seien unschädlich gemacht worden.
Unterdessen hat US-Präsident Barack Obama das Blutbad von Boston erstmals als „Terrorakt“ bezeichnet. „Jedes Mal, wenn Bomben benutzt werden, um unschuldige Zivilisten ins Visier zu nehmen, ist es eine terroristische Gewalttat“, sagte Obama am Dienstag im Weißen Haus. Man wisse aber noch nicht, wer genau dahinter stecke. Am Montag hatte Obama das Wort Terrorismus noch vermieden. „Wir werden herausfinden, wer das getan hat. Wir werden herausfinden, warum sie es getan haben“, sagte Obama. „Die verantwortlichen Personen oder Gruppen werden die volle Härte der Justiz zu spüren bekommen.“
Der Präsident sprach von eine „gemeinen und feigen Akt“. Es werde etwas dauern, bis klar sei, auf wessen Konto das Verbrechen gehe. Das amerikanische Volk weigere sich, terrorisiert zu werden, sagte Obama. Er fügte zugleich hinzu: „Wir werden wachsam bleiben.“ Obama rief die Bürger dazu auf, bei der Suche nach dem Täter oder den Tätern mitzuhelfen.
US-Behörden ermitteln in alle Richtungen
US-Behörden suchen unterdessen fieberhaft nach Motiv und den Tätern. Das FBI bat Zuschauer des Laufs um private Videos und Fotos, um so Aufschluss über Hergang und Hintermänner des Bombenattentats zu erhalten. In einem Vorort von Boston wurde ein Haus durchsucht, Ermittler überprüften die Anschlagsorte auf Hinweise. Doch auch am Dienstag bekannte sich zunächst niemand zu dem Anschlag.
Ein europäischer Geheimdienstmitarbeiter erklärte, dass bisher nichts auf einen Selbstmordanschlag hindeute. Allerdings sei es noch zu früh, diese Möglichkeit gänzlich auszuschließen, sagte der Gewährsmann. Die pakistanischen Taliban, die in der Vergangenheit mit Angriffen auf die USA gedroht hatten, bestritten jegliche Beteiligung an den Bombenanschlägen. Möglicherweise seien die Bomben in Postkästen oder Abfalleimern versteckt gewesen, sagte der Bostoner Polizeichef Edward Davis.
Die beiden Bomben explodierten fast zeitgleich im Abstand von etwa 100 Metern in der Nähe der Ziellinie – rund zwei Stunden nachdem der Sieger des Marathons mit insgesamt 23.000 Teilnehmern und 500.000 Zuschauern diese passiert hatte. Der Zeitpunkt war möglicherweise gewählt worden, um möglichst viele Opferzahl zu treffen, denn es kamen gerade besonders viele Hobbyläufer ins Ziel.
Die Polizei durchsuchte im Zusammenhang mit den Explosionen zudem eine Wohnung im Bostoner Vorort Revere. Dies bestätigte die Polizei, nannte aber keine Details. Am frühen Dienstagmorgen (Ortszeit) verließen Beamte das Haus mit Papier- und Plastiktüten und einer Reisetasche.
Nach den Explosionen an der Laufstrecke bot sich ein grauenhaftes Bild. Augenzeugen berichteten von zahlreichen Opfern, denen Arme oder Beine abgerissen wurden. Auf dem Boden bildete sich eine riesige Blutlache. Menschen schrien und rannten in Panik durcheinander. Dichter Rauch stieg auf, zahlreiche Fenster wurden zerstört. Die Verletzungen reichten von geplatzten Trommelfellen über Schnittwunden und Prellungen bis hin zu abgetrennten Gliedmaßen, erklärte ein Arzt. Papst Franziskus sprach den Opfern in einem Schreiben an den Bostoner Kardinal sein Beileid aus.
Feuer in der John-F.-Kennedy-Bibliothek
Unter den Toten war auch ein achtjähriger Junge, der in der Nähe der Ziellinie zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester auf seinen Vater gewartet hatte, der bei dem Marathon mitlief. Auch Mutter und Schwester seien verletzt worden, als die zwei Bomben explodierten, hieß es.
In den USA, aber auch in anderen Teilen der Welt herrschte erhöhte Alarmbereitschaft. In London erklärte die Polizei, sie prüfe ihr Sicherheitskonzept für den London-Marathon am kommenden Sonntag, wolle ihn aber nicht absagen. Außerdem werden bereits am Mittwoch zahlreiche ranghohe Politiker aus aller Welt zur Beisetzung der früheren Premierministerin Margaret Thatcher in der britischen Hauptstadt erwartet.
Kurz nach den Explosionen an der Laufstrecke war in Boston in der John-F.-Kennedy-Bibliothek ein Feuer ausgebrochen. Die Ermittler sahen aber zunächst keinen direkten Zusammenhang mit den Bomben beim Marathon. Das Feuer in der JFK-Bibliothek sei möglicherweise von einem Brandsatz ausgelöst worden, erklärte ein Polizeisprecher.
Der Boston-Marathon findet jährlich am sogenannten Patriot's Day statt. Der nur in Neuengland begangene Feiertag erinnert an die ersten Schlachten während des Unabhängigkeitskrieges gegen die Engländer im Jahr 1775.