Sohn Peter beschuldigt die zweite Frau des Altkanzlers, dessen Erbe zu zerstören. Begann die Beziehung schon, als Hannelore Kohl noch lebte?
Berlin. Das Familiendrama im Hause Helmut Kohl beginnt für den 1965 geborenen Sohn Peter unmittelbar nach dem Freitod seiner Mutter am 5. Juli 2001. Sofort habe er "eine Veränderung im Wesen meines Vaters feststellen können - als ob etwas mir lange Vertrautes von ihm gewichen war", schreibt er im Vorwort zur Neuauflage seiner Hannelore-Kohl-Biografie (Knaur Taschenbücher), die von diesem Freitag an im Handel ist.
"Nach dem Tod seiner Frau befand er sich in einer verzweifelten Lage." Anderen habe er Normalität vorspielen können, "nicht aber uns. Mein Bruder und ich waren von seinem Zustand entsetzt. Mein Vater, den ich mein Leben lang in vielen, auch großen Krisen in der Politik fast übermenschlich nervenstark und standfest erlebt hatte, konnte es hier nicht mehr sein." Helmut Kohl "begann von sich aus, über seine Gefühle zu sprechen, etwas, was er sonst nie tat. Mein Vater machte immer wieder Bemerkungen, dass es wohl besser wäre, wenn er nicht mehr sei, oder dass sich alle Probleme lösen würden, wenn er einfach nicht mehr da sei." Presseartikel, "in denen man ihn für ihren Tod verantwortlich machte, verletzten sein Innerstes und hätten ihn fast in die Knie gezwungen. Davon bin ich heute überzeugt."
Kohl habe dann Bilder von Hannelore Kohl einrahmen lassen. "Nach und nach hingen oder standen fast überall im Haus Bilder meiner Mutter. Mein Vater verbrachte viel Zeit mit der künstlerischen Umgestaltung des Familiengrabs. Es war seine Art, um seine verstorbene Frau zu trauern. Mir wurde das Ganze etwas zu viel. Einige Jahre später wurden sämtliche Bilder meiner Mutter wieder entfernt."
Warum erzählt der Sohn das alles? Warum reißt er nach dem kritischen Buch des älteren Bruders Walter nun ebenfalls den Vorhang vor privatesten Stunden zur Seite? Weil die Söhne sich vom Vater ausgesperrt fühlen. Weil sie ihrer Stiefmutter Maike Kohl-Richter in stetig wachsendem Maß die Schuld dafür geben. Und weil sie nun offenbar zum Kampf gegen alle entschlossen sind, die die ursprüngliche Familie Kohl umzudeuten versuchen. Diese Familie sei Hannelore Kohls Werk gewesen. "Mit ihrem Tod starb die vertraute Heimat meiner Kindheit, setzte der schleichende Tod unserer Familie ein." Den Kampf führen jetzt beide öffentlich.
Peter Kohl geht so weit, seinem Vater eine Beziehung zu Maike Richter möglicherweise bereits vor dem Tod Hannelore Kohls zuzuschreiben, ohne es ausdrücklich zu bestätigen. "Am 3. April 2005 feierte mein Vater seinen 75. Geburtstag. Am Rande dieser Veranstaltung erfuhr mein Bruder etwas, das ich eigentlich gar nicht so genau wissen wollte. Ein engster Vertrauter unseres Vaters - jedoch kein Angestellter oder Beamter - datiert den Beginn der Beziehung mit Maike Richter auf die zweite Hälfte der 90er-Jahre. Ich wollte es wirklich nicht erfahren und erwähne es an dieser Stelle, weil diesbezügliche öffentliche Vermutungen oft genug unwidersprochen gemacht worden sind."
Peter Kohl schildert nun manche intime Details, zum Beispiel einen kurzen Besuch in Maike Richters Berliner Wohnung, als Helmut Kohl mit ihr noch nicht verheiratet war. "Ich war in eine Art privates Helmut-Kohl-Museum geraten! Wo man auch hinschaute, hingen oder standen Helmut-Kohl-Fotografien." Die Wohnung habe nach "jahrelanger, akribischer Sammelleidenschaft zum Zwecke der Heldenverehrung" ausgesehen, "wie man es vielleicht auch von Berichten über Stalker kennt". Den Begriff "Stalker" zu verwenden ist eine Wortwahl, die den Rahmen des bislang Gewohnten sprengt.
In der neuen "Bunten" wirft er Maike Kohl-Richter vor, das Erbe seines Vaters zu zerstören. Heribert Schwan, gegen den die Söhne Kohls wegen dessen Hannelore-Kohl-Biografie prozessieren, besitze vertrauliche Kohl-Akten. "Mein Vater kann das aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kontrollieren, und Frau Kohl-Richter hat offensichtlich komplett die Übersicht verloren, wo sich welche Akten und Dokumente befinden. Für meinen Vater ist das alles unglaublich schädlich und verwerflich. Für diesen Schaden mache ich sie verantwortlich."
Der Streit im Hause Kohl hat wie alle Tragödien zwei Seiten. Maike Kohl-Richter ist nicht für jeden eine berechnende Herrscherin. Kaltherzigkeit suchen andere bei ihr vergeblich. Eine Ehe mit dem gesundheitlich angeschlagenen Bundeskanzler ist kein Spaziergang, um es zurückhaltend zu sagen. Es wäre auch nicht ungewöhnlich, wenn Maike Kohl-Richter dagegen aufbegehrt haben sollte, frühere Helfer ihres Mannes sogar im Urlaub um sich zu haben. Nach der Hochzeit erhob sie Anspruch auf eine Privatsphäre - in den Augen der Söhne freilich auf völlig inakzeptable Art. Zur Gedenkfeier am 10. Todestag Hannelore Kohls sei Helmut Kohl nicht gekommen. Peter Kohl: "Wenige Tage danach sah ich Bilder von Maike Richter und meinem Vater. Sie besuchten das Finale der Frauenfußball-WM in Frankfurt."
Im Mai 2011, schreibt Peter Kohl, "gelang es mir das letzte Mal, meinen Vater zu besuchen. Ich konnte mithilfe einer alten Handynummer des Begleitkommandos die Polizeisperre austricksen. Meine Tochter war an diesem Tag auch mit dabei. So konnte sie ihren Opa zumindest noch einmal kurze Zeit sehen. Als er sie erblickte, leuchtete sein Gesicht auf, er freute sich über ihren Besuch, legte ihre Kinderhand in seine große alte Hand." Anschließend klingelte Peter Kohls Handy. "Es war Maike Richter. Ich kann mich nicht mehr an den Inhalt des Gesprächs erinnern, außer dass sie sehr laut und hysterisch auf mich einschrie."
Seine Mutter wäre am 7. März 80 geworden. Sie, so Peter Kohl zur "Süddeutschen Zeitung", habe die Familie Kohl geeint. "Ich hätte nie gedacht, dass später alles auseinanderfallen würde. Doch man lernt dazu, so ist das Leben."