Es war ein lauter, schriller Umzug und ein buntes Fest auf dem Rostocker Neuen Markt. Doch der Hintergrund des Christopher Street Day ist ernst. Noch immer gibt es Ausgrenzung und Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Lebensformen.
Rostock. „So lange „schwule Sau“ auf Schulhöfen und Fußballstadien noch eines der häufigsten Schimpfwörter ist, so lange rentiert es sich für uns, als Schwule und Lesben auf die Straße zu gehen.“ Der 37-jährige Karsten aus Stralsund macht beim Christopher Street Day (CSD) am Samstag in Rostock deutlich, was viele der nach Polizeiangaben etwa 3000 Menschen auf dem Neuen Markt und bei der Parade durch die Stadt denken: Die Gesellschaft ist doch noch einiges davon entfernt, Homosexualität als gleichberechtigt anzuerkennen.
Redner beim 10. CSD sind sich dann auch sicher, dass sie in zehn Jahren beim nächsten runden Geburtstagsfest ihre gesellschaftliche Diskriminierung immer noch beklagen werden. So lautet das Motto: „Wo kein Wissen ist, wachsen Vorurteile“.
Das Fest auf dem Neuen Markt und die Parade brauchen ihre „Hingucker“ – und die gibt es reichlich. Große stattliche Blondinen mit knappen Klamotten und übergroßen Brüsten, Männer in rosa Schweinchenkostümen oder im hautengen Fußballtrikot präsentieren sich freizügig. Die Menschen, die den wettermäßig einigermaßen freundlichen Samstag für einen Einkaufsbummel durch die City nutzen, staunen über die bunte Vielfalt. Sie sind ein wenig irritiert über die Lautstärke der Musik, die von den zwölf Lastern wummerte und heben die Kondome auf, die zu Tausenden von den Lkws geworfen werden.
„Diskriminierung ist vielfältig“, sagt Tom Scheel vom Centrum für sexuelle Gesundheit in Rostock, dem früheren Aids-Zentrum. Da geht es nicht nur um Beschimpfung von Schwulen und Lesben. Auch haben gleichgeschlechtliche Partnerschaften noch immer nicht die gleichen Rechte wie die klassischen Ehepaare der „Normalos“. All’ das lässt sich unter dem Stichwort „Homophobie“, Feindseligkeit gegenüber Lesben und Schwulen zusammenfassen – ein am Samstag viel gehörtes Wort.
Es sei aber zu spüren, dass die Gesellschaft toleranter wird. „Generationen wachsen heran, für die Homosexualität Normalität bedeutet“, sagt Scheel. Es gibt keine klaren Schätzungen, wie viele Menschen in Deutschland homosexuell sind. Studien schwanken laut Scheel zwischen einem fünf- bis zehnprozentigen Anteil.
Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) macht in seinem Grusswort deutlich, dass Übergriffe auf Homosexuelle mit allen rechtsstaatlichen Mitteln sanktioniert werden. „Solche Taten sind absolut inakzeptabel für eine aufgeklärte Gesellschaft.“
Freude löst Methling aus, als er einer „Avantgardistin“ der Bewegung aus dem russischen St. Petersburg die Unterstützung der Stadt für das nächste Jahr zusagt. Sie war nach Rostock eingeladen worden, doch der Besuch scheiterte an bürokratischen Hindernissen, die auch mit der fehlenden finanziellen Absicherung der Reise zu tun gehabt haben sollen. „Darum habe ich gesagt, dass die Hansestadt Rostock für die Reise dieser Avantgardistin die Kosten übernehmen wird“, sagt Methling. Es gehe um Reisekosten zwischen 1000 und 1500 Euro. (dpa)