Wetten, dass ..?-Kandidat Samuel Koch gab sein erstes TV-Interview nach dem Unfall. ZDF-Moderator Peter Hahne hat ihn in der Rehaklinik besucht.
Berlin. Fast drei Jahrzehnte lang war "Wetten, dass ..?" die große Familienshow des deutschen Fernsehens. Weltstars trafen auf Waldschrate, emotionales Pathos auf mancherlei Peinlichkeit. Doch dann, am 4. Dezember 2010 die Tragödie: der verheerende Sturz des 23 Jahre alten Wettkandidaten Samuel Koch, der nach seinem dritten Salto über ein fahrendes Auto, das von seinem Vater gesteuert wurde, reglos liegen blieb.
Samuel Koch liegt inzwischen seit sechs Monaten querschnittsgelähmt im Krankenhaus. Der ZDF-Moderator Peter Hahne hat ihn nun als erster Fernsehjournalist für seine gestrige Talksendung in der Schweizer Rehaklinik besucht. Während Samuel, im Rollstuhl sitzend, zuweilen stockend, aber klar artikulierend spricht, schwenkt die Kamera immer wieder mal durchs große Glasfenster in die hügelige Seelandschaft, die für den Gelähmten nun die große Utopie eines fernen Lebens ist.
Von Anfang an beeindruckt Samuels ebenso intelligente wie tapfere Gefasstheit, zu der auch jene antike Heiterkeit gehört, die nicht mit Spaß und Lustigkeit zu verwechseln ist. Eine Spur Flapsigkeit schwingt sogar mit in seinem Dank für die große "Anteilnahme an der Misere", eine Prise schwarzer Humor, der seine tief sitzende Verzweiflung freilich nicht wirklich überdecken kann.
Kistenweise bekommt der so schwer Gestürzte Post von Unbekannten, auch von Kindern, Geschenke und Aufmunterungen aller Art, Gesungenes und Gedichtetes. Sogar ein Stern, 136 Lichtjahre entfernt, heißt nun "Samuel". Peter Hahne, gläubiger Christ, Laienprediger und Autor ("Schluss mit lustig") begegnet dem zentralen Problem des Gesprächs, das eben nicht im intellektuellen Diskurs zu lösen ist, mit einem Riesenvorrat an Aufmunterung und Optimismus, der in einigen Momenten jedoch die Grenze zur Aufdringlichkeit streift.
Mag der Glaube auch Berge versetzen, "bergauf und bergab", wie Samuel sagt, gehe es immer wieder. "Und manchmal ist es hart." Dass der Heilungsverlauf "in keinem Augenblick wirklich stagniert hat", ist da schon eine kleine Sensation, trotz der einschneidend neuen Erfahrung für den sympathischen jungen Mann, "wie langsam die Langsamkeit sein kann". Anlass zu einem "Riesenfest", zu dem die ganze Familie ums Bett tanzt, besteht schon, wenn sich ein kleiner Zeh plötzlich wieder selbsttätig rühren lässt. Wie hält man das aus? "Im Prinzip bin ich der Gleiche wie vorher", offenbart der junge Mann, der auf Hahnes Zitat, niemand könne ja tiefer fallen als in Gottes Hand, die kurze, aber beinah philosophisch weise Antwort parat hat: "Ich atme."
Ähnlich klar reagiert Samuel auf Peter Hahnes Versuch, ihn, den "gläubigen Christen", zur konkreten Beschreibung seiner christlichen Praxis zu bewegen: "Glaube findet im Kopf statt", formuliert er selbstbewusst. Gott, so darf man verstehen, ist für ihn dennoch die einzige Alternative zu uferloser Hoffnungslosigkeit: "Es gibt Dinge, die nicht mit Wissenschaft und Medizin erklärbar sind. Doch über Wunder spricht man nicht, da hofft man drauf."
Ein Wunder wäre es schon, wenn er bald mit der eigenen Hand eine Fliege von seiner Nase vertreiben könnte, die ihm die Nachtruhe raubt. Wenn er irgendwie in dem nahen See baden könnte, eine Pizza wieder selber essen könnte und sich nicht füttern lassen müsste. "Das ist das, worauf ich hinarbeite." Immerhin ist er jetzt schon in der Lage, seinen Rollstuhl mit den Schultern samt "hängendem Arm" selbst zu bedienen. Gleichwohl bremst er Hahnes lächelndes Mantra, das von stetem Fortschritt und "Perspektiven" redet, charakteristisch knapp: "Perspektiven geöffnet? - Nicht."
Samuel Koch, der die Wettaktion trotz allem unter gleichen Umständen noch mal wagen würde, weiß, dass man "auf jedem Niveau klagen" und "auf jedem Niveau glücklich sein kann". Vielleicht gibt es ja doch noch ein Wunder.