Noah Glass war der führende Erfinder des Internetdienstes Twitter. Fünf Jahre nach Start der Plattform kam heraus: Seine Kollegen haben ihn verschwiegen.

New York/Berlin. Die Gründer des Kurznachrichtendienstes Twitter haben jahrelang einen führenden Miterfinder verschwiegen. Erst nachdem sich der Mann namens Noah Glass in einem Interview zu Wort meldete, räumten sie ein, dass selbst der Originalname „Twittr“ von ihm stammte. Besonders brisant wird die Enthüllung dadurch, dass in den vergangenen Wochen zum fünften Jahrestag der Twitter-Gründung mehrfach die falsche Version verbreitet wurde – und das Unternehmen inzwischen Milliarden wert ist.

„Es ist wahr, dass Noah nie ausreichend Anerkennung für seine frühe Rolle bei Twitter bekommen hatte“, schreib einer der bekannten Twitter-Köpfe, Evan Williams, in einer Twitter-Nachricht. Auch dessen die Namensidee sei „brillant“ gewesen. Zuvor hatte das US-Blog „Business Insider“ einen langen Artikel veröffentlicht, für den Glass sowie frühere Mitarbeiter und Investoren interviewt wurden.

„Ich weiß, dass es ohne mich Twitter nicht geben würde“, verkündete Glass nun im „Business Insider“. In der Anfangszeit sei der gesamte Twitter-Dienst auf einem Notebook in seinem Büro gelaufen, mit einer Mobilfunk-Karte, sagte Glass dem „Business Insider“. „Ich hätte ihn einfach in die Hand nehmen und überall hin auf der Welt mitnehmen können.“ Jack Dorsey, der als Erfinder von Twitter gilt, habe tatsächlich die Grundidee für den Kurznachrichten-Dienst gehabt. Sie hätten ihn jedoch gemeinsam entwickelt. „Es war das Ergebnis von Gesprächen.“

„Es war vor allem Noah, der das Projekt zum Start führte“, sagte der erste Technik-Chef von Twitter, Blaine Cook, dem Blog. Ein Programmierer aus Deutschland sei neben Dorsey und Glass das dritte Mitglied im Kernteam gewesen.

Er habe auch Chef von Twitter werden wollen, sei jedoch aus dem Unternehmen gefeuert worden, erzählte Glass. Später habe er eine Beteiligung an dem Dienst bekommen. Wenn er geblieben wäre, hätte er aber deutlich mehr abbekommen, zeigte sich Glass überzeugt. „Ich fühlte mich verraten von meinen Freunden.“

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Schlecht kommen in dieser Geschichte die beiden anderen offiziellen Twitter-Gründer Biz Stone und Evan Williams weg. Stone habe dem ursprünglichen Twitter-Team von Zeit zu Zeit ausgeholfen, Williams sei anfangs sogar ein Skeptiker gewesen. Laut der offiziellen Gründungsgeschichten dagegen haben Dorsey und Stone Twitter zusammen entwickelt und Williams habe das Potenzial ihrer Idee erkannt und seine Firma Odeo vom Podcasting auf den Kurznachrichtendienst ausgerichtet.

Dem Bericht zufolge fühlen sich einige frühe Odeo-Investoren von Williams hintergangen. Der Internet-Unternehmer, der zuvor den Blogging-Dienst Blogger an Google verkauft hatte, wollte mit Odeo einen Podcasting-Dienst aufbauen. Allerdings fiel die Idee ins Wasser, als Apple ein Podcasting-Verzeichnis direkt in seine iTunes-Plattform einbaute.

Williams ließ seine Mitarbeiter nach neuen Ideen suchen und eine davon war Twitter. Als der Kurznachrichtendienst gerade einmal 5000 Nutzer hatte, machte Williams Odeo dicht und zahlte den Investoren ihre rund fünf Millionen Dollar zurück. Heute wird der Wert von Twitter auf fünf bis zehn Milliarden geschätzt. Einige der Odeo-Investoren fragen sich laut „Business Insider“ nun, ob Williams damals schon das Potenzial des Dienstes erkannt habe und ihn für sich haben wollte. Seinen aktuellen Twitter-Anteil schätzt das Magazin „Fortune“ auf 30 bis 35 Prozent.

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Die "berühmtesten" Zwitschereien:

Gezwitschert wird inzwischen pausenlos. Mehr als 200 Millionen Menschen nutzen die Kommunikationsplattform Twitter, was zu Deutsch "Gezwitscher" heißt. Jeden Tag schicken sie 140 Millionen Kurznachrichten los. Sie geben Kneipentipps weiter, prangern Menschenrechtsverletzungen an, reden übers Wetter, organisieren Revolutionen. Vor fünf Jahren, am 21. März 2006, schickte der Kalifornier Jack Dorsey die erste Mitteilung los: "Richte soeben mein Twitter ein." Was damals mit einem leisen Pieps anfing, ist inzwischen zum konstanten Hintergrundrauschen des modernen Lebens angeschwollen.

Dorsey entwickelte die Idee mit seinen Kollegen Biz Stone und Evan Williams weiter. Grenzenlose Vernetzung, direkte Kommunikation, Meinungsaustausch ohne Hürden - ermöglicht übers Internet. Die drei Tüftler trafen den Nerv der Zeit. Auf jeden Fall liefert Twitter Stoff für so manche Anekdote:

Schnell: als Nachrichtendienst am 15. Januar 2009 über eine Notlandung in New York. Janis Krums schrieb als erster: "Da ist ein Flugzeug im Hudson River. Bin auf der Fähre, die versucht, die Leute aufzusammeln. Verrückt."

Politik: bei Twitter: Julia Klöckner, Schriftführerin bei der Wiederwahl 2009 des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, schrieb noch vor der offiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses: "Leute, ihr könnt in Ruhe Fußball gucken, die Wahl hat geklappt."

Zickenkrieg: zwischen den Sängerinnen Ciara, 25, und Rihanna, 23: Ciara beschwerte sich über die Unfreundlichkeit der Kollegin. Rihanna: "Sorry Ci, habe ich etwa das Trinkgeld vergessen? Wie fies von mir." Ciara: "Glaub mir, Rihanna, du willst mich weder auf noch hinter der Bühne treffen."

Rettung: durch Twitter: Ein Japaner bat um Hilfe, weil ihm das Klopapier ausgegangen war. Tatsächlich brachte ihm ein hilfsbereiter Mitbürger eine neue Rolle auf die öffentliche Toilette.

Jobkiller: Ein Vodafone-Mitarbeiter schrieb ausgerechnet auf dem firmeneigenen Account, dass seine Firma "genug von dreckigen Homosexuellen" habe. Er wurde entlassen.

Kritik: Teeniestar Justin Bieber, 17, hält sich angeblich "für den Kurt Cobain seiner Generation". Tenor bei Twitter: "Geh spielen, Justin!"

Abgehoben: Aus der internationalen Raumstation ISS schrieb Ingenieur Timothy Creamer am 22. Januar 2010: "Hallo Twitter-Universum. Wir twittern nun live von der ISS."

Outing: Nachdem Ricky Martin, 39, sich 2010 als schwul geoutet hatte, lautete ein Kommentar auf Twitter: "Ricky Martin ist schwul. Und was kommt als Nächstes? Der Papst ist katholisch?"

Fahrradsuche: Tour-de-France-Gewinner Lance Armstrong, 39, suchte 2009 über Twitter sein gestohlenes Fahrrad. Vergeblich. Der Dieb war wohl gewarnt.