Kampfhunde zerfleischten eine Dreijährige. Die Hundebesitzerin und Tante des Mädchens ist dafür zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden.
Nordhausen. Seit der Tragödie vor zehn Monaten, als ein Rudel Hunde das dreijährige Mädchen zerfleischte, bestimmt Hass den Alltag der Großfamilie. Auch an den zwei Prozesstagen gab es immer wieder Beschimpfungen und Unmutsbekundungen gegenüber Zeugen. Die 45 Jahre alte Hundebesitzerin und Großtante des von Hunderten Bissen getöteten Kindes wurde am Donnerstag vom Amtsgericht Nordhausen zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Sie muss zudem 80 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Staatsanwaltschaft und Gericht waren der Überzeugung, dass die Frau die vier Kampfhunde nicht unter Kontrolle hatte. Sie war wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.
Auch die Urgroßmutter, mit der die Dreijährige vor dem Pfingstwochenende zu Besuch bei der Großtante war, ist nicht frei von Kritik. Die 71-Jährige soll das Kind durch ein „Augenblicksversagen“ in Todesgefahr gebracht haben. Das ursprünglich auch gegen sie gerichtete Verfahren wegen fahrlässiger Tötung war zuvor eingestellt worden. Die vier American Staffordshire Terrier-Mischlinge hatten sich urplötzlich auf die beiden gestürzt und fürchterlich zugebissen. Die Tiere waren durch eine Hundeklappe - unbemerkt von der Besitzerin - in das Wohnhaus gelangt.
“Hass trägt nicht zur Bewältigung von Trauer bei“, sagte Richterin Gerhild Grote nach der Urteilsverkündung zu den zerstrittenen Familienmitgliedern gerichtet. Die Familie sei „zerrüttet“ - dafür gebe es professionelle Hilfe.
In ihrem Urteil hoben die Richter die Verantwortung der 45-Jährigen als Hundebesitzerin beim Tod des Mädchens hervor. „Wer eine Gefahr sät, muss dafür sorgen, dass dadurch keiner umkommt oder verletzt“, sagte Grote. „Wird das Beuteverhalten angesprochen, werden Hunde zu Waffen“, betonte die Richterin. Im konkreten Fall sei das untereinander verwandte Rudel arbeitsteilig vorgegangen, habe sich gegenseitig unterstützt.
Die Kind hatte angesichts der „nicht sozialisierten“ Hunde“, denen zudem keinerlei räumliche und erzieherische Grenzen aufgezeigt worden seien, keine Chance. Rettungskräfte und Polizisten waren von dem grauenvollen Bild am Tatort erschüttert.
Auf dem Grundstück gab es keinerlei Vorkehrungen oder Sicherungen, die das Unglück hätten verhindern können. „Die Angeklagte hat nicht gewollt, was da passiert ist“, heißt es im Urteil. Die Gefahr jedoch musste ihr angesichts von Warnungen - auch von Verwandten - bewusst gewesen sein.
“Die Täter vor der Leine sind tot.“ Mit diesen Worten hatte Oberstaatsanwalt Gert Störmer sein Plädoyer eröffnet. Er warf der 45-Jährigen grobe Verstöße bei der Haltung und Erziehung von Hunden vor. Das Rudel sei eine „tickende Zeitbombe“ gewesen. „Die Frau hat mit den Hunden gelebt, nicht die Hunde mit ihr“, sagte Störmer. Hinzu komme die nicht ausreichende Sicherung des Grundstücks und mangelnde Aufsicht. Die Tiere waren in der fraglichen Zeit zehn bis zwölf Minuten sich selbst überlassen gewesen.
Der Verteidiger hatte die Vorhersehbarkeit dieser „menschlichen Katastrophe“ bestritten. Seine Mandantin sei überfordert“ gewesen und habe die Problematik unterschätzt, sagte Eckhard Karstädt. Sie habe das Ereignis weder voraussehen noch abwenden können, begründete er seinen Antrag auf Freispruch. Er wolle die Erfolgschancen einer Berufung für seine bisher nicht vorbestrafte Mandantin prüfen. Die Frau hatte sich zum Prozessauftakt bei den Eltern des Mädchens entschuldigt. Die Mutter hatte im Gerichtssaal die Angeklagte keines Blickes gewürdigt und eine kleine Stoffente ihres einzigen Kindes in den Händen gehalten.
Nach der Tragödie von Sachsenburg hatte die Landesregierung in Thüringen mit einem Gesetzentwurf zum Schutz vor gefährlichen Hunden reagiert. Er wird jedoch seit Monaten diskutiert. Danach sollen vier Terrierrassen und ihre Kreuzungen grundsätzlich als gefährlich eingestuft werden. Ihre Haltung soll an strenge Auflagen gebunden und der Handel verboten werden.