In Köln zog der längste Karnevalszug Deutschlands durch die Straßen. In Rio tanzten die Menschen Samba. Auch Haiti feiert mit.
Köln/Rio de Janeiro/Port-au-Prince. Bei strahlender Sonne hat sich um kurz nach halb elf der Kölner Rosenmontagszug in Bewegung gesetzt. Mit 150 Wagen und 7,5 Kilometern Länge ist es der längste Karnevalszug in Deutschland. Schon lange war das Wetter nicht mehr so gut wie diesmal. Allein in Köln wurden deshalb rund 1,5 Millionen Zuschauer erwartet. Die Motivwagen sind dieses Jahr besonders aktuell. So haben die Kölner Wagenbauer noch am Wochenende einen neuen Guttenberg-Wagen gestaltet. Unter dem Motto „Kopieren statt studieren“ taucht der Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg aus einem Kopierer auf, wird aber von Angela Merkel mit einem gezielten Tritt in die Wüste befördert.
Ein besonders detailliert gestalteter Wagen mit 200 kleinen und großen Figuren zeigt das libysche Volk, das mit Sägen, Hammern und Stoßen das Kartenhaus des Gewaltherrschers Muammar al-Gaddafi zum Einsturz bringt. Gaddafi und Guttenberg sind auch im Düsseldorfer Rosenmontagszug als Pappkameraden präsent. Dort kniet Europa mit einem dicken Euro-Sack vor dem libyschen Staatschef, der triumphierend ein Ölfass hinter seinem Rücken festhält. Guttenberg schlägt mit einem Kampfjet im Kanzleramt ein - darunter steht: „Merkels 11. September“.
Die Düsseldorfer, die für ihre frechen und oft auch politisch unkorrekten Wagen bekannt sind, greifen auch die Sarrazin-Debatte auf: Mit einer Lanze durchbohrt der Buchautor eine türkische Mutter mit einem voll besetzten Kinderwagen. Zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zeigen die Düsseldorfer einen Priester mit einem kleinen Jungen auf dem Schoß. Der Kommentar: „Bei uns ist jeder Tag Weltjugendtag“.
Auftakt der großen Karnevalsparaden in Rio de Janeiro
Feuerwerk, ohrenbetäubendes Getrommel und natürlich kaum verhüllte Tänzerinnen: Der Karneval in Rio tobt. Mit dem traditionellen Umzug der Sambaschulen, die um den Titel „Champion des Karnevals“ wetteifern, begann am Sonntagabend (Ortszeit) der Höhepunkt des bunten Treibens in der brasilianischen Metropole. Mit riesigen Prunkwagen, phantasievollen Aufbauten und aufwändigen Kostümen suchten sich die Sambaschulen zu übertrumpfen. Die ersten sechs der zwölf besten Schulen der Stadt leiteten am Sonntag die Parade vor 70.000 Zuschauern im Sambodrom ein, die live weltweit im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Mit begeistertem Gebrüll wurde die bunte Prozession der Schule Unidos de Tijuca empfangen, die mit einer Hommage an Hollywood ihren Championtitel vom vergangenen Jahr verteidigen wollte.
Den Anfang machte eine Gruppe von Monstern, die der amerikanischen „Sage von der schläfrigen Schlucht“ nachempfunden waren. „The Legend of Sleepy Hollow“ um einen Reiter ohne Kopf wurde zuletzt mit Johnny Depp und Christopher Walken in den Hauptrollen verfilmt. Die gruseligen Gestalten waren nur ein Teil des Umzugs von Unidos de Tijuca, die ein Budget von umgerechnet rund 3,5 Millionen Euro zur Verfügung hatte.
Zum Aufgebot gehörten zudem ein Truppe von „Freddy Kruegers“ aus der Horrorfilmreihe „A Nightmare on Elm Street“ sowie ein riesiger Pandora-Drache mit blauen Avataren nach dem Vorbild des Blockbusters von James Cameron. Am meisten Aufsehen erregte ein Hai, der mit einem lebenden Jungen im Maul aus einem Schwimmbecken auftauchte - eine Reminiszenz an „Der Weiße Hai“.
Da konnte auch Topmodel Gisele Bündchen als Venus nicht mithalten, die für die Sambaschule Unidos de Vila Isabel auftrat. Auch andere Sambaschulen setzten auf klassische Themen wie die Gottheit Neptun oder die Legende von Lady Godiva, die nackt auf einem Pferd durch das englische Coventry ritt, um ihren Mann zu überzeugen, die Steuern zu senken. Obwohl am Montag noch die anderen sechs Schulen folgen sollten, waren sich nach dem ersten Durchlauf die Medien bereits einig über den Favoriten: den Vorjahresgewinner Unidos de Tijuca. Der Gewinner des Wettbewerbs wird am Mittwoch bekanntgegeben.
Unter den rund 800.000 ausländischen Touristen, die für den Karneval nach Rio gekommen sind, war auch die kanadische frühere „Baywatch“-Nixe Pamela Anderson. „Ich liebe es. Es ist toll, es live zu sehen“, sagte die Schauspielerin auf den VIP-Rängen. „Es ist durchgeknallt, total verrückt“, begeisterte sich auch die britische Urlauberin Joey Whineray.
Schon am Sonnabend hatten knapp zwei Millionen Karnevalisten dem starken Regen getrotzt und sangen und tanzten im Zentrum von Rio zu Sambaklängen. Auch in anderen Teilen Brasiliens, einem Land mit 193 Millionen Einwohnern, steht in der Karnevalssaison für eine Woche das öffentliche Leben still. In Rio sollen rund 50.000 Polizisten für Sicherheit sorgen. In der Stadt, die als eine der gewalttätigsten des Landes gilt, finden 2016 die Olympischen Spiele statt.
Haitianer feiern erstmals Karneval nach verheerendem Erdbeben
Erstmals nach dem verheerenden Erdbeben im vergangenen Jahr haben auch die Haitianer am Sonntag wieder Karneval gefeiert. Gleichwohl fiel die Beteiligung an dem Umzug durch die noch immer von Zerstörung gezeichnete Hauptstadt Port-au-Prince deutlich geringer aus als in den vorangegangenen Jahren. "Menschen leben noch immer in Zelten, Menschen sind in Not", sagte der 24-jährige Gerda Delcy mit Blick auf die zahlreichen noch immer in Notunterkünften lebenden Einwohner der Stadt. "Es ist nicht wirklich eine gute Zeit für Karneval."
Bei dem Erdbeben im Januar vergangenen Jahres hatten schätzungsweise rund 300.000 Menschen ihr Leben verloren, zudem waren große Teile der Hauptstadt zerstört worden. Etwa 800.000 Menschen leben nach Angaben der Vereinten Nationen noch immer in vorübergehenden Unterkünften rund um Port-au-Prince.
Im Vergleich zu früheren Jahren habe man diesmal nur über etwa 20 Prozent der Mittel für die Feierlichkeiten verfügt, sagte der Karnevalskoordinator der Stadt Port-au-Prince, Herve Saint-Preux. Trotz der Probleme, denen das Land gegenüber stehe, hätten die Behörden den Eindruck gehabt, dass es wichtig gewesen sei, das jährliche Fest fortzuführen, sagte er. "Die Menschen wollen Karneval und wenn wir es nicht unterstützen, machen sie es eben selbst", sagte Saint-Preux.