Der Steuermaat verwechselte rechts und links, vertraute der Zweite Offizier seiner Familie an.Hinzu kam eine verhängnisvolle Anweisung.
London. Es war eine der größten Katastrophen in der Geschichte der Seefahrt: In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 rammte der "unsinkbare" Luxusliner "Titanic" auf seiner Jungfernreise einen Eisberg und riss mehr als 1500 Menschen mit in den Tod. Wie konnte es zu dieser Tragödie kommen? Die englische Schriftstellerin Louise Patten, 56, glaubt, das Rätsel gelöst zu haben. Zwei Geheimnisse, die ihre eigene Familie jahrzehntelang bewahrt hat, geben ihrer Ansicht nach die Antwort. Lady Patten - ihr Mann ist ein geadelter Ex-Minister und sie selbst eine erfolgreiche Unternehmerin - ist die Enkeltochter des ranghöchsten "Titanic"-Offiziers, der den Untergang überlebt hat.
Fregattenkapitän Charles Lightoller war Zweiter Offizier an Bord. Vor dem Untersuchungsausschuss schwieg er. Aber seiner Frau, und nur ihr, vertraute er die beiden Geheimnisse an. Als Zehnjährige erfuhr Louise Patten sie von ihrer Großmutter.
Unglücksursache Nummer eins soll ein Missverständnis zwischen Erstem Offizier und Steuermann gewesen sein. Als der Erste Offizier William Murdoch den Eisberg ortete und "Hart Steuerbord" anordnete, reagierte der Mann am "Titanic"-Rad, Steuermannsmaat Robert Hitchins, - so die Autorin - aus Panik zunächst falsch und lenkte das Schiff auf Kurs in den Eisberg. Bis der Irrtum korrigiert war, vergingen zwei wertvolle Minuten. Damit war die Kollision unvermeidbar geworden.
Unglücksursache Nummer zwei soll die verhängnisvolle Anweisung des Reedereichefs gewesen sein, die "Titanic" nach dem Zusammenstoß nicht zu stoppen. Die Order an Kapitän Edward Smith kam von Bruce Ismay, dem Vorsitzenden der White Star Line, persönlich. Louise Patten: "Mein Großvater bezeichnete diese Entscheidung als verbrecherisch." Der Versuch zur Weiterfahrt erhöhte den Wasserdruck auf den Rumpf, trieb das einbrechende Wasser über die Schotten und beschleunigte das Sinken des Schiffs um viele Stunden. "Das nächste Schiff war vier Stunden entfernt. Wäre die ,Titanic' auf Stopp geblieben, dann hätte sie wahrscheinlich so lange getrieben, bis die Hilfe eingetroffen wäre."
Pattens Großvater verschwieg beide Geheimnisse vor der Untersuchungskommission aus Furcht, die Wahrheit könnte den Bankrott der Reederei herbeiführen und den Verlust aller Arbeitsplätze. "Er empfand es als Pflicht, seine Arbeitgeber zu schützen, und er zweifelte nicht einen Augenblick an der Richtigkeit dieser Entscheidung", sagte Patten. Und die Familie bewahrte die Geheimnisse bis heute, um den verstorbenen Großvater zu schützen - die Welt sollte nicht erfahren, dass "Opa gelogen hatte".
Als eine Hauptursache der Katastrophe wurde bislang das Fehlen eines Fernglases auf dem Ausguck der "Titanic" angesehen. Die Ferngläser befanden sich in einem abgeschlossenen Schrank auf der Brücke und waren dem Ausguck an diesem Abend nicht zugänglich. Auch hatte der Kapitän darauf verzichtet, den Ausguck angesichts der Eisberg-Gefahr um einen Mann zu verstärken. So wurde stets berichtet, der einsame Mann ohne Fernglas habe den Eisberg viel zu spät erblickt.
Die 53 329 Tonnen verdrängende "Titanic", das größte Schiff seiner Zeit, habe trotz der 51 000 PS starken Maschinen nicht mehr rechtzeitig gegensteuern können und sei vom Eis aufgerissen worden. In den neuen Enthüllungen heißt es jedoch, der Ausguck habe den Eisberg bereits auf eine Entfernung von zwei Seemeilen - also rund 3,6 Kilometer - erspäht. Dies hätte bei schnellem und korrektem Rudermanöver für die "Titanic" allemal gereicht.
Wie Untersuchungen ergaben, betrug die Gesamtfläche der langen, aber sehr schmalen Lecks, die der Eisberg in die Schiffswand riss, kaum 1,2 Quadratmeter. Doch dies reichte aus, das Schiff sinken zu lassen, da die stählernen Schotten nicht durchgängig vom Boden bis zur Decke reichten. Der Todeskampf der "Titanic" dauerte zwei Stunden und 40 Minuten.
In den folgenden Untersuchungen zur Unglücksursache stellte sich heraus, dass die Titanic zu schnell durch gefährliches Gewässer gefahren war, dass in den Rettungsbooten nur Platz für etwa die Hälfte der Passagiere und Mannschaften war, und dass die SS Californian, die dem Unglücksort am nächsten war, nicht zu Hilfe kommen konnte, weil ihr Bordfunker dienstfrei hatte und schlafen gegangen war. Diese Erkenntnisse führten zu einer langen Liste neuer Vorschriften.