Der ist am 18. September, die Bergarbeiter sind über ihre Lage informiert. Die ersten Angehörigen kündigten Klage gegen den Minenbesitzer an.

Santiago de Chile/São Paulo. Die verschütteten Minenarbeiter in Chile wissen jetzt, dass ihre Rettung möglicherweise Monate dauert. Die 33 Männer wüssten mehr oder weniger Bescheid und hätten akzeptiert, dass sie nicht bis zum Nationalfeiertag am 18. September befreit werden könnten – aber noch vor Weihnachten, sagte Chiles Gesundheitsminister Jaime Mañalich nach Angaben lokaler Medien am Mittwochabend (Ortszeit). Einige Angehörige kündigten für diesen Donnerstag die ersten Klagen gegen den Besitzer der Mine in Nordchile und auch gegen die Behörden an.

Bislang hatten Rettungskräfte und die Regierung die Männer aus Rücksicht auf die psychischen Folgen über die Dauer der schwierigen Bergungsaktion im Unklaren gelassen. Sie sind seit dem 5. August in der Mine rund 800 Kilometer nördlich von Santiago verschüttet und sitzen in fast 700 Metern Tiefe fest. Am Samstag soll mit der Bohrung des Rettungstunnels begonnen werden. Am Mittwoch wurde im Nordchile ein leichtes Erdbeben registriert, das aber keinerlei Schäden hinterließ.

Der 63-jährige Mario Gómez übernimmt die Führungsrolle bei den Verschütteten

Als Liliana Ramírez den kleinen Brief ihres Mannes auseinanderfaltete, war sie fassungslos: „Er schreibt, dass er mich liebt. Sowas hat er mir noch nie gesagt, nicht einmal während unserer Verlobung war er so romantisch“, erzählt sie. Kurz zuvor hatte eine andere Nachricht des 63-Jährigen für Fassungslosigkeit gesorgt: Mit rotem Stift hatte er auf einen Zettel geschrieben, dass er und seine Kumpel noch leben. Mario Gómez ist der älteste der 33 Bergleute, die seit drei Wochen in einem Bergwerk in Chile verschüttet sind – und die Symbolfigur für deren Überlebenswillen.

Die 32 chilenischen und ein bolivianischer Bergarbeiter warten in 700 Metern Tiefe auf ihre Rettung. Schichtleiter und somit Chef der Truppe ist Luis Urzua – aber es ist Mario Gómez, der als Mentor der Verschütteten gilt. „Er ist wie ein Vater, der auf seine Kinder aufpasst“, sagt Gino Erazo, der lange mit Gómez zusammengearbeitet hat. Erazo glaubt, dass die Moral der eingeschlossenen Gruppe, deren jüngstes Mitglied gerade mal 19 Jahre alt ist, ganz wesentlich von Gómez' Führung abhängen wird.

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Trotz ihrer 31-jährigen Ehe kennt Liliana ihren Mann nur als Bergarbeiter. Mit zwölf Jahren lernte er das harte Handwerk von seinem Vater, seitdem hat er nichts anderes getan. Ein „Arbeitstier“ sei er, sagt seine Frau. In der kleinen Gold- und Kupfermine San José am Rand von Copiapo in der Atacama-Wüste, in der er nun festsitzt, war er seit neun Monaten beschäftigt und verantwortlich für den Transport der Metalle. Ende des Jahres wollte der 63-Jährige in Rente gehen.

Gómez genießt allgemein Respekt – von seinen Chefs, den Kollegen, selbst seine Freunde loben als erstes seine langjährige Erfahrung als Bergmann. Monate bevor er seine Arbeit in der Mine San José aufnahm, kannten die Kumpels dort schon seinen Namen, erzählt Schwiegersohn Claudio Campillay. Sein Wissen und seine Erfahrung seien „enorm“, sagt Campillay.

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Genau dieser Erfahrungsschatz dürfte beim Überleben der Gruppe eine wichtige Rolle spielen. Nach Einschätzung des französischen Bergbauexperten Michael Siffre sind Führungsfiguren wie Gómez entscheidend, um Panik zu verhindern, für einen einigermaßen geregelten Tagesablauf zu sorgen und den Frieden unter den auf engem Raum eingeschlossenen Männern zu wahren. Hilfreich dürfte dabei auch sein, dass Schichtleiter Urzua aus ähnlichem Holz wie Gómez geschnitzt zu sein scheint: Als Bergbauminister Laurence Golborne erstmals Kontakt mit den Kumpels aufnahm, reichten diese das heruntergelassene Funkgerät sofort an Urzua weiter, der knapp und präzise die Lage schilderte.

Mario Gómez ist laut seiner Frau eigentlich ein schweigsamer und schüchterner Mensch. Doch die wenigen Worte, mit denen er der Welt mitteilte, dass er und seine Kumpel noch am Leben sind, reichten aus, um ihn auf einen Schlag zum Helden zu machen: Sie sind inzwischen auf zahllosen T-Shirts verewigt.