Russland bekommt die Brände nicht unter Kontrolle. Die Lage wird immer bedrohlicher. Kein Regen erwartet
Moskau. Dieses Jahr ist alles anders. Auf Sommer ist Russland nicht eingerichtet, auf Hitze schon gar nicht. Normalerweise gibt die zweite Jahreszeit ein kurzes Gastspiel, ein paar Tage 30 Grad, dann kühlt es sich auf 23 Grad ab. Doch seit Wochen leidet das Land unter Temperaturen von bis zu 40 Grad. Trockenheit und Dürre führten zu Wald- und Torfbränden rund um Moskau und in den Regionen um Woronesch, Nischni Nowgorod, Kasan, Saransk, Sarow und Schatura.
Und der Wetterbericht gibt für die kommenden Tage längst noch keine Entwarnung.
Im Auftrag des Katastrophenschutzministeriums kämpfen landesweit Hunderttausende Rettungskräfte verzweifelt gegen die Flammen. Zwar hat das Katastrophenschutzministerium den Kauf weiterer Löschflugzeuge angekündigt - russische Be-200, die die besten der Welt sein sollen -, doch bis diese gebaut sind, dauert es Jahre. In ganz Russland brennt es auf einer Fläche von 188 500 Hektar; etwa 850 Wald- und Torfbrände sind nach Angaben des Zivilschutzministeriums in Moskau registriert. Und die Brände fordern immer mehr Menschenleben. Die Zahl der Toten stieg auf 50. Russische Hilfsorganisationen gehen jedoch davon aus, dass es weit mehr Opfer gibt. Hunderte wurden verletzt, Tausende sind obdachlos.
Auch in Moskau mit mehr als zehn Millionen Einwohnern verschlimmert sich die Lage. Der Rauch von den Torfbränden rund um die größte Stadt Europas hüllt die Metropole in dichten Smog. Die Sichtweite beträgt bei dichtem Rauch nur wenige Hundert Meter. Überall liegt beißender Brandgeruch in der Luft. Viele Hauptstädter klagen über schwere allergische Beschwerden, Atemnot, Übelkeit und Kopfschmerzen. Jeder Bewohner atmet innerhalb weniger Stunden die Konzentration des Giftstoffs ein, wie sie dem Konsum von 40 Zigaretten entspricht. Außerdem speichern die Backstein- und Betonwände die Hitze wie ein Backofen. Viele Wohnungen sind so geschnitten, dass kein Durchzug möglich ist. Selbst Haushaltsgeräte kapitulieren bei diesen Temperaturen. Es wird überlegt, ob der Start ins neue Schuljahr, der traditionell am 1. September ansteht, nicht verschoben wird. "Wenn sich die Lage nicht bessert, werden wir einige Maßnahmen empfehlen, damit der Schuljahresbeginn verschoben wird", sagte der Chef der Sanitätsdienste, Gennadi Onischtschenko.
Doch nicht nur die Menschen leiden unter der Hitze. Der Sauerstoffmangel in der Luft und der hohe Gehalt an giftigen Schadstoffen lassen auch immer mehr Vögel qualvoll verenden, schreibt die Zeitung "Moskowski Komsomolez". Der Leiter der Moskauer Vogel-Klinik, Wladimir Romanow, sagt, dass Tierbesitzer zu Dutzenden ohnmächtiges Federvieh einliefern. Bei einigen Tieren sind Blutgefäße geplatzt und schwere Kohlenmonoxidvergiftungen festzustellen. Nur wenige Papageien konnten noch in speziellen Sauerstoffkammern gerettet werden. In freier Wildbahn sind besonders Bussarde und Milane betroffen. Auch sonst fallen in Moskau viele Vögel einfach tot vom Himmel.
Unterdessen wächst wegen der Feuersbrunst die Kritik an der politischen Führung. Besonders der Gouverneur Nikolai Winogradow des Gebiets Wladimir, 250 Kilometer östlich von Moskau, gerät unter Druck. In einem Brief an Kremlchef Dmitri Medwedew forderten mehrere Hundert Einwohner seine Entlassung, denn er habe sich ausgeruht, während das Land verbrannte.
Hilfe und Unterstützung bietet dagegen das Ausland an. Italien schickte zwei Löschflugzeuge nach Russland. Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte mit Kremlchef Dmitri Medwedew und brachte "die Verbundenheit und die Hilfsbereitschaft Deutschlands angesichts der verheerenden Brände" zum Ausdruck. Medwedew hat sich "für die Zeichen der Solidarität" bedankt. Die Bundesregierung hat aber noch nicht darüber entschieden, wie diese Unterstützung aussehen wird. Derzeit wird noch auf konkrete Anfragen der russischen Seite gewartet.