Der Ministeriumsmitarbeiter genoss genügend Vertrauen, um sich ungestört in der Sammlung bewegen und Bücher entnehmen zu dürfen.

Bad Arolsen. Mindestens 5000 gestohlene Bücher hat ein Mitarbeiter des hessischen Kunstministeriums bei sich zu Hause gehortet. Die Werke stammen aus Bibliotheken in ganz Deutschland und dürften nach ersten Schätzungen insgesamt einen Millionenwert haben, wie die Staatsanwaltschaft Kassel am Donnerstag mitteilte. Der mutmaßliche Dieb äußerte sich bislang nicht zu den Vorwürfen.

Die Polizei kam dem 45-Jährigen auf die Schliche, weil nach seinen Besuchen der Fürstlich Waldeckschen Hofbibliothek im nordhessischen Bad Arolsen Bücher fehlten. Der Besitzer der Bibliothek, Wittekind zu Waldeck und Pyrmont, berichtete, der Mann habe das Vertrauen der Mitarbeiter genossen und gesagt, er habe privat forschen wollen. Deshalb habe er sich dort ungestört bewegen und Bücher entnehmen dürfen. Im November sei dann festgestellt worden, dass Werke fehlten. Als kurze Zeit später wieder der Bestand überprüft worden sei, hätten erneut Bücher gefehlt. Zwischen beiden Inventuren habe nur der Ministeriumsmitarbeiter die Bibliothek besucht. Daraufhin sei die Polizei informiert worden.

Vor dem letzten angekündigten Besuch des Mannes am Dienstag seien dann Videokameras aufgebaut worden, die den Diebstahl aufgezeichnet hätten, sagte zu Waldeck und Pyrmont weiter. Als Polizisten ihn nach einem Bibliotheksbesuch festnahmen, hatte der Ministeriumsmitarbeiter laut Staatsanwaltschaft 53 Bücher in Taschen und seiner Kleidung versteckt. Er stahl Werke aus den Fachgebieten Mineralogie, Geophysik und Naturlehre, die jeweils bis zu 7000 Euro wert sind.

Die Polizei hatte gehofft, bei einer gleichzeitigen Durchsuchung des Hauses des Verdächtigen 31 weitere in Bad Arolsen gestohlene Bücher zu entdeckten. Dabei stießen die Ermittler auf mindestens 5000 Bände. Zu seinem Motiv äußerte sich der Mann nicht. Er wurde am Mittwoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Alle Bücher seien inzwischen an einen sicheren Ort gebracht worden, hieß es. Die bestohlenen Bibliotheken sollen benachrichtigt werden.

Die Verfolgung von Buchdieben ist nach Angaben des Deutschen Bibliotheksverbands schwer. "Wenn Bücher gestohlen werden, können wir es in der Regel nicht nachvollziehen", sagte die Vorsitzende Monika Ziller auf Anfrage. Jede Sicherheitstechnik in den Bibliotheken habe Lücken. "Eine gewisse Diebstahlquote gibt es überall", sagte sie. Zudem könne auch erst Anzeige erstattet werden, wenn das Fehlen eines Werks bemerkt werde. Da der Bestand nicht täglich kontrolliert werde, sei das gar nicht so einfach. Genaue Zahlen dazu, wie viele Bücher aus deutschen Bibliotheken gestohlen werden, gibt es Zillers Angaben zufolge nicht.

Die Motive der Täter seien zudem sehr unterschiedlich. Bei manchen sei es Bequemlichkeit, andere wollten ein nicht mehr im Handel erhältliches Buch besitzen, sagte die Vorsitzende. Erst vor wenigen Jahren hatte die Verurteilung eines früheren Hausmeisters der Universitätsbibliothek Erlangen Schlagzeilen gemacht. Der Mann hatte über 20 Jahre hinweg Bücher im Wert von mehr als 400.000 Euro gestohlen und weiterverkauft. Er wurde 2008 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.