Rund 150 Polizeibeamte haben in Berlin mehrere DRK-Kliniken durchsucht. Es besteht der Verdacht auf millionenschweren Abrechnungsbetrug.
Berlin. Es ist die Horrorvorstellung jedes Patienten: Von einem Arzt behandelt zu werden, der gar nicht qualifiziert ist für das, was er tut. Genau das soll nun zigfach in DRK-Krankenhäusern geschehen sein.
Polizei und Staatsanwaltschaft haben in Berlin einen mutmaßlichen großangelegten Betrug an drei Krankenhäusern aufgedeckt. In einer Großrazzia durchsuchten die Ermittler am Mittwoch die DRK-Krankenhäuser und verhafteten zwei Geschäftsführer und einen Chefarzt. Es geht laut Polizei um den Vorwurf falscher ärztlicher Behandlungen, um gefälschte Abrechnungen und Körperverletzungen. Die Staatsanwaltschaft spricht von „banden- und gewerbsmäßigen ärztlichen Abrechnungsbetrug“.
Die Staatsanwaltschaft geht von insgesamt 24 Beschuldigten und 128 Fällen des Abrechnungsbetruges aus, sagte Oberstaatsanwalt Frank Thiel am Mittwoch. In 56 Fällen wird Ärzten Körperverletzung bei speziellen radiologischen Untersuchungen vorgeworfen, weil sie dafür nicht qualifiziert waren.
Der bisher festgestellte Schaden für die Krankenkassen liege bei 170 000 Euro, die Gesamtschadenssumme schätze man aber auf mehr als eine Million Euro, sagte Thiel. „Es gibt Hinweise, dass es sich nur um die Spitze eines Eisberges handelt.“ Der Einsatz mit 150 Polizisten und drei Staatsanwälten begann am Morgen um 9.25 Uhr und dauerte fast den ganzen Tag.
Die Krankenhausgesellschaft bestätigte die Ermittlungen, wollte sich aber zu Einzelheiten der Vorwürfe zunächst nicht äußern. „Wir kooperieren und unterstützen die Untersuchung“, sagte eine Sprecherin. Das Berliner Rote Kreuz wies am Mittwoch darauf hin, dass die Kliniken nicht zu ihrer Organisation gehören.
Verhaftet wurden zwei Geschäftsführer des Kliniken-Verbundes und der Chefarzt der Radiologie (Medizinbereich, der mit Röntgen- oder anderen Strahlen arbeitet) im Krankenhaus Mitte. Ein dritter Geschäftsführer, der erst am Montag sein Amt antrat, steht nicht unter Verdacht.
Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten den Firmensitz der DRK-Kliniken in Wilmersdorf, die drei Krankenhäuser des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Mitte, Charlottenburg-Westend und Köpenick, ambulante Behandlungszentren an den Standorten Mitte und Westend, eine Privatklinik in Mitte sowie 18 Wohnungen in Berlin und 4 in Brandenburg. Sehr viele Beweise seien gefunden worden, sagte Thiel. Die Staatsanwaltschaft strebe nun mehrjährige Gefängnisstrafen für die drei Hauptbeschuldigten an.
Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft sollen Assistenzärzte seit 2005 für medizinische Behandlungen erkrankter Blutgefäße eingesetzt worden sein, die dann auf Weisung der Geschäftsführer als Facharzt- Behandlungen in der Angiografie (Darstellung von Gefäßen etwa durch Röntgenstrahlen, Magnetresonanztomografie (MRT) oder Untersuchungen mit Sonden) abgerechnet wurden.
Die Assistenzärzte seien für die „ärztlichen Spezialleistungen“, etwa das „Freifräsen“ von verkalkten Aterien, nicht qualifiziert und nicht zugelassen gewesen, schilderte der Leiter der Ermittlungsgruppe, Hauptkommissar Karsten Fischer. Das dürfe medizinisch nur ein „Facharzt mit besonderer Fachkunde“. Nicht qualifizierte Assistenzärzte würden sich durch eine derartige Behandlung der Körperverletzung schuldig machen. Zudem soll es doppelte Untersuchungen gegeben haben, die medizinisch nicht nötig waren.
Die DRK Kliniken Berlin sind nach eigenen Angaben ein gemeinnütziger Verbund mit fünf Krankenhäusern und einem Pflegeheim. 3500 Mitarbeiter sind für 200000 Patienten im Jahr zuständig. Die Kliniken gehören rechtlich zur DRK-Schwesternschaft Berlin, einem Mitgliedsverband des DRK.