London/Nairobi. Äthiopische Rebellen sollen Millionenspenden der Hilfsaktion „Band Aid“ für die Opfer der Hungerkatastrophe vor gut 25 Jahren abgezweigt und stattdessen dafür Waffen gekauft haben. Das berichtet der britische Sender BBC unter Berufung auf Rebellenführer der damaligen Befreiungsfront von Tigray (TPLF), die damals im nördlichen Hochland Äthiopiens einen Bürgerkrieg gegen die Regierungsarmee führte.
Zwei hohe Offiziere der damaligen Rebellenarmee hatten der BBC berichtet, sie hätten sich unter anderem für internationale Fernsehteams als Getreidehändler und örtliche Helfer ausgegeben. Die Verträge über den angeblichen Kauf von Getreide seien fingiert gewesen. Die TPLF wurde von dem heutigen äthiopischen Ministerpräsidenten Meles Zenawi kommandiert, der sich im Mai um eine Wiederwahl bemüht. Die von der BBC zitierten Rebellenführer sind heute mit Zenawi zerstritten.
Der Gründer der Hilfsaktion, Bob Geldof, wies den Bericht am Sonntag als „offensichtlichen Unsinn“ zurück. Der britische Musiker sammelte mit dem Benefizkonzert „Live Aid“ Spenden für die Hungernden in Äthiopien. Es war die bis dahin weltweit größte Hilfsaktion. Rund eine Million Menschen starben Schätzungen zufolge im Hungerwinter
1984/1985 – die meisten von ihnen, ehe die internationale Hilfe anlief.
Laut dem Bericht nutzten Rebellen für ihre Waffenkäufe 95 Prozent von 100 Millionen US-Dollar an Hilfsgeldern, die für den Kampf gegen die Hungerkatastrophe bestimmt waren.
Die Stiftung „Band Aid“ und weitere Hilfsorganisationen haben bei der britischen Medienaufsicht Beschwerde gegen den Bericht eingelegt. „Es gibt nicht die Spur eines Beweises, dass Geld von „Band Aid“ oder „Live Aid“ abgezweigt wurde“, sagte Geldof der BBC. Ein Sprecher der Hilfsmission „Christian Aid“ forderte den Sender zur Prüfung der Fakten auf, bevor „eine Lüge um den halben Globus kreist“ und „gewaltigen Schaden“ anrichtet.
Der Sender hielt an dem Bericht am Sonntag weiter fest. „Er zeigt Beweise, schlüssige Beweise, dass einige der Hilfsspenden für die Hungersnot von mächtigen Rebellengruppen umgeleitet wurden, um Waffen zu kaufen“, schrieb der Nachrichtenchef des BBC World Service, Andrew Whitehead, im Blog des Senders. Er lobte den Reporter Martin Plaut als erfahrenen Journalisten. Plaut habe über die Hungersnot seit den
1980er Jahren berichtet und für diesen Bericht mehr als ein Jahr Informationen gesammelt.
Für Experten aus Hilfsorganisationen enthält der BBC-Bericht wenig Überraschungen: In Krisen- und Konfliktgebieten müssen humanitäre Helfer immer wieder verschiedenen bewaffneten Gruppen entweder „Schutzzölle“ zahlen oder beobachten, wie Milizen und andere Gruppen in Flüchtlingslagern die Verteilung der Hilfe „organisieren“.