Von den acht Meter hohen Wellen im Nordosten Spaniens wurde auch ein Deutscher getötet. Eine Hamburgerin schildert ihre Erlebnisse an Bord.

Etwa 70 Urlauber hatten sich auf dem Kreuzfahrtschiff „Louis Majesty“ zu einem Drink im Salon versammelt und blickten auf die aufgewühlte See. Plötzlich zerbarsten die Scheiben und Massen von Wasser schwappten in den Raum. Ein 69-jähriger Urlauber aus Nordrhein-Westfalen und ein 52 Jahre alter Italiener wurden getötet, 16 weitere Passagiere verletzt.

Drei Riesenwellen von bis zu acht Metern Höhe waren am Mittwoch auf der Höhe von Cap Begur vor der Costa Brava im Nordosten Spaniens frontal gegen den Bug des zyprischen Kreuzfahrtschiffs geprallt. „Ich hatte meine Kabine auf Deck 3, gefühlt sechs bis acht Meter über dem Wasserspiegel. Von dort aus konnte ich das gut beobachten, und am Anfang war es berauschend im wahrsten Sinne des Wortes, ein tolles Schauspiel“, erzählte Augenzeugin Renée Melms am Donnerstag der dpa am Telefon.

Die 63 Jahre alte Inneneinrichterin aus Hamburg war früher Hobby-Seglerin, sie habe keine Frucht vor den „wirklich hohen Wellen“ gehabt. Bei schwerem Seegang habe sie sich dann auf den Weg gemacht, um einen Koffer zu kaufen, und plötzlich sei großer Aufruhr auf dem Schiff gewesen. „Kinder kamen mir auf dem fünften Deck entgegen und schrien ganz furchtbar. Eine Riesenwelle hatte erst eins und dann weitere vier, fünf Fenster auf Deck fünf eingeschlagen. Eine Riesenmenge Wasser kam rein und schlug das Mobiliar um“, berichtete sie.

„Es sind auch etliche Passagiere von den herumfliegenden Scheiben getroffen worden. Der Salon stand in null Komma nichts unter Wasser, und es tropfte in die darunter liegenden Decks.“ Dass zwei Passagiere gestorben waren, erfuhr sie erst später. Die spanischen Behörden hatten für die Costa Brava eine Sturmwarnung gegeben und Wellen von fünf bis sechs Metern Höhe vorausgesagt, berichtete der katalanische Fernsehsender TV3 am Donnerstag. Das Seegebiet gehört wegen seiner oft unberechenbaren Stürme zu den gefährlichsten im ganzenMittelmeer.

Der Sturm, der die acht Meter hohen Riesenwellen aufgetürmt hatte, tobte sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Stundenkilometern über dem offenen Meer aus. Normalerweise machen solche Wellen einem so großen Schiff von 207 Meter Länge auf dem Meer aber nichts aus.

Ein Experte von der spanischen Universität Alcalá de Henares sagte dem staatlichen Rundfunk RNE, Wellen mit einer Höhe von über sechs Metern seien in dieser Gegend im Mittelmeer ziemlich ungewöhnlich. Bei ihrem Entstehen spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Es könnten zum Beispiel die Wellen eines Sturms sich mit den Ausläufern eines weiter entfernten Unwetters überlappen und gegenseitig hochschaukeln. Nach dem jetzigen Stand seien Riesenwellen praktisch nicht vorhersehbar.

Die erste Monsterwelle zertrümmerte nach einem Bericht der Zeitung „La Vanguardia“ nur die Fensterscheiben des Salons auf dem fünften Deck. Unmittelbar darauf schlug eine zweite Woge mit solcher Wucht in den Raum, dass sie Urlauber gegen eine Wand schleuderte. Tödliche Folgen habe erst die dritte Riesenwelle gehabt, schrieb das Blatt. Sie habe die Deckenverkleidung aus der Verankerung gerissen. Die herabstürzenden Teile hätten den Deutschen und den Italiener erschlagen.

„Ich habe Schreie gehört und dann das Wasser aus einem der Säle im fünften Stock stürzen sehen“, zitierten italienische Medien Ervino Curtis, einen 63-jährigen Italiener. „In dem Moment, als ich den Salon betreten habe, ist ein Fenster zerbrochen und das Wasser hat alle überflutet. Dann herrschte nur noch Chaos.“ Im Schweizer Fernsehen sind Videoaufnahmen von den Ereignissen zu sehen.

1. HINTERGRUND: RIESENWELLEN - DIE FALLEN DES MEERES

2. HINTERGRUND: ALPTRAUM RIESENWELLEN

3. HINTERGRUND: AUF DER JAGD NACH MONSTERWELLEN

4. HINTERGRUND DER URSPRUNG DER MONSTERWELLEN (Wissenschaft aktuell)

Der Kapitän gab den Befehl, sofort Barcelona als den nächsten größeren Hafen anzulaufen. Die „Louis Majesty“ hatte sich mit 1350 Touristen und 580 Besatzungsmitgliedern an Bord auf der Route nach Genua befunden, dem Ausgangs- und Endpunkt einer zwölftägigen Rundreise. Der ganze Trip stand aus Sicht von Renée Melms unter keinem guten Stern.

„Wir sind von Genua nach Marseille und wollten dann nach Madeira. Das ging nicht wegen der heftigen Unwetter dort. Dann sind wir nach Teneriffa ausgewichen und von dort nach Lanzarote. Da konnten wir auch nicht in den Hafen einlaufen, weil auch dort unruhiges Wasser war“, erzählte sie. „Nach zwei, drei Stunden konnten wir dann doch einlaufen. Dann ging es nach Cádiz, Cartagena und Barcelona. Und da fing die Geschichte an.“

Ermittlungen in Barcelona

Wegen des stürmischen Wetters entschied der Kapitän, an der katalanischen Metropole vorbeizufahren und direkt Kurs auf Genua zu nehmen. Nach dem Unglück am Mittwochnachmittag musste das Schiff dann aber umdrehen und doch nach Barcelona fahren. Im Hafen standen Krankenwagen bereit, die die Verletzten aufnahmen. Eine 62-jährige Frau hatte sich nach Medienberichten beide Beine gebrochen. Ein Ermittlungsrichter ordnete an, dass die „Louis Majesty“ vorerst nicht auslaufen darf.

Auf dem Festland richtete das Unwetter keine Schäden an. „Hier ist wundervolles Wetter“, berichtete Renée Melms einen Tag nach dem Unglück aus Barcelona. Dass sie sich nicht ein paar Minuten früher auf den Weg zum Deck 5 gemacht hatte, „dafür habe ich dem lieben Gott schon Danke gesagt“.