Tübingen. Es gibt kein Motiv, es gibt keine Zeugen - aber zwei Kinder aus Mössingen (Kreis Tübingen) sind tot. Ihre 38- jährige Mutter wurde nach einem Indizienprozess am Freitag zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter befanden sie des Mordes an ihrer Siebenjährigen und des Totschlags an ihrer 14 Monate alten Tochter schuldig. Laut Urteil hat die Frau ihre Kinder in der Badewanne ertränkt. Den Beteuerungen der Angeklagten, ihr Baby sei durch einen Unfall ertrunken, schenkten die Richter keinen Glauben.

Die Hintergründe der Familientragöde blieben auch nach dem Prozess weitgehend im Dunklen. Es ist nicht einmal klar, an welchem Tag die Kinder genau starben. Als die 38-Jährige am 20. März völlig apathisch bei einer Nachbarin auftauchte, waren die Mädchen schon einige Tage lang tot. „Erstickung durch Ertrinken“ hieß es später im Obduktionsbericht. „Unser Wissen ist Stückwerk“, gab der Vorsitzende Richter Ralf Peters bei der Urteilsbegründung zu. Aber dieses Stückwerk reiche aus, um der 38-Jährigen die Tötung ihrer Kinder nachzuweisen.

Mit einer Überdosis Schlafmitteln hat die Frau ihre Kinder laut Urteil zunächst betäubt. Die Dosis sei so hoch gewesen, dass die Mädchen vermutlich bewusstlos waren - die Siebenjährige wäre womöglich allein an der Medikamentendosis gestorben.

Unter welchen Umständen die Kinder dann in der Badewanne ertranken, ist unklar. Bei der Siebenjährigen hat die Mutter selbst zugegeben, sie so lange unter Wasser gedrückt zu haben, bis das Mädchen tot war. Bei ihrer 14 Monate alten Tochter will sie allerdings nicht eingegriffen haben. Für das Urteil sei diese Frage letztlich aber auch unerheblich gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. Ein durch Schlafmittel betäubtes Baby in eine gefüllte Badewanne zu legen, sei an sich schon eine bewusste Tötungshandlung.

In den Aussagen der 38-Jährigen habe es zu viele Ungereimtheiten gegeben. Bis zuletzt hatte die Frau behauptet, der Tod des Babys sei ein Unfall gewesen. Damit die Familie zumindest im Tod zusammenbleiben könne, habe sie dann die Siebenjährige ertränkt und versucht, sich selbst das Leben zu nehmen.

Die Angeklagte hatte allerdings keine Erklärung dafür, weshalb beide Kinder so hohe Mengen Schlafmittel im Blut hatten. Auch die Frage, weshalb sie vor der Tat mehrmals Begriffe wie „Kindstötung“ oder „Überdosis“ in Internetsuchmaschinen eingegeben hatte, konnte sie nicht beantworten. Zudem schilderte sie den Unfall, durch den das Baby angeblich ertrunken sein soll, immer wieder etwas anders. Die Richter waren daher sicher: Es gab keinen Unfall. Die Frau hat beide Kinder mit voller Absicht getötet.

Weshalb es zu der schrecklichen Tat kam, konnte der Prozess allerdings nicht aufklären. „Das Bedürfnis, zu wissen: warum? - das bleibt ungestillt“, sagte der Vorsitzende Richter. Eigentlich seien sie immer eine glückliche Familie gewesen, hatte die Angeklagte erzählt. Doch vor zwei Jahren begann es zu kriseln. Nachdem die Familie nach Mössingen gezogen war, fand die 38-Jährige keinen Anschluss zu anderen Menschen. „Ich war sehr isoliert“, sagte sie vor Gericht. Dann wuchs in ihr auch noch der Verdacht, ihr Mann könne sie betrügen.

War es also Mord aus Frust und Verzweiflung? „Das ist kein plausibles Motiv für eine solche Tat“, betonte Peters. Vor allem habe sie dem psychiatrischen Gutachten zufolge nicht unter schweren Depressionen gelitten, die sonst oft Auslöser von Familientragödien sind. „Wir wissen, dass wir mit allen Überlegungen zu den Ursachen dieser Tat nur an der Oberfläche kratzen. Und in wieweit die Angeklagte selbst darüber Klarheit hat, wissen wir auch nicht“, sagte der Vorsitzende Richter.