Immer mehr Jugendliche trinken bis zur Bewusstlosigkeit. Der neue Fall ist aber ungewöhnlich und eine Ausnahme.
Berlin. Er lag zitternd auf dem Gehweg, krümmte sich vor Schmerzen und erbrach sich, als ihn Passanten fanden. Der Junge, gerade erst sieben Jahre alt, schwebte in Lebensgefahr, als die Notärzte eintrafen. In einem Berliner Krankenhaus stellten die Ärzte fest: Er hatte zwei Promille Alkohol im Blut. Das Kind hat überlebt, wird aber weiterhin stationär behandelt.
Gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder hatte das Kind auf einem Spielplatz im Berliner Stadtteil Spandau Alkohol getrunken. Diesen soll der Neunjährige dort von anderen Jugendlichen erhalten haben. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung gegen unbekannt. Was die beiden Brüder genau getrunken haben, sei noch unklar, sagte gestern ein Sprecher der Polizei. Der Siebenjährige konnte dazu noch nicht befragt werden. Allerdings haben die Ermittler bereits mit dem älteren Bruder und den Eltern gesprochen. Gegen diese wird zurzeit nicht ermittelt. "Es gibt momentan keine Anhaltspunkte für ein Verfahren wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorgepflicht oder Erziehungspflicht", sagte der Sprecher.
Die Familie des Jungen sei den Behörden bekannt, sagte die Spandauer Jugendstadträtin Ursula Meys (SPD), ohne Details zu nennen. Sie sei "absolut entsetzt" über den Vorfall. Etwas Ähnliches habe sie in ihrer Laufbahn noch nicht erlebt. Der Familie soll nun Hilfe angeboten werden.
Auch Dr. Rainer Süßenguth, Sprecher am Altonaer Kinderkrankenhaus in Hamburg, sei so ein spektakulärer Fall noch nicht begegnet. "Wir beobachten aber, dass der exzessive Alkoholkonsum von Jugendlichen stark zunimmt und die Konsumenten immer jünger werden", sagt er.
Der Techniker Krankenkasse zufolge landen immer mehr Kinder und Jugendliche nach Alkoholkonsum im Krankenhaus. Allein in Hamburg seien im vergangenen Jahr 1765 Minderjährige mit der Diagnose "psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol" eingeliefert worden. Das waren 174 mehr als im Jahr zuvor. Hochgerechnet auf das gesamte Bundesgebiet sind das fast 20 000 alkoholbedingte Krankenhausaufenthalte von Minderjährigen pro Jahr. Das sogenannte Komasaufen ist mittlerweile auf Platz 15 unter den häufigsten Ursachen für Klinikaufenthalte bei Kindern und Jugendlichen.
Der Hamburger Professor Dr. Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Uniklinikum Eppendorf sagt, dass der Alkoholkonsum von Minderjährigen zwar abgenommen hat, der Anteil derjenigen, die trinken, dies immer exzessiver tut, zum Teil bis zur Bewusstlosigkeit.