“Nicht alles, was zwischen zwei Backen rauskommt, ist eine Stimme“, urteilt einer, der es megagenau wissen muss: Dieter Bohlen (55), früher engelsgleicher Luftgitarrist, heute Richter über Deutschlands künftige Ex-Superstars, denen er zu 15 Sekunden Peinlichkeit verhilft.
Hamburg. Dafür ist alles, was zwischen den zwei Backen des "Titanen aus Tötensen" rausrutscht - bevorzugt verbales Leergut aus der Rubrik Fäkal-Akrobatik - tatsächlich Kunst. Das hat jetzt eine Institution geurteilt, die es wissen sollte: das Bundessozialgericht in Kassel. Es bewertet Dieters flotte Sprüche, die geschmacklich alle eine ziemlich unterirdische Flughöhe haben ("Das klingt, als wenn sie dir den Arsch zugenäht haben und die Scheiße jetzt oben rauskommt"), als künstlerisch wertvoll. Das, nun ja, "Modern Talking" der berufsjugendlichen und dauergebräunten Ein-Mann-Show aus Norddeutschland verstehen die Richter "nicht als Expertenmeinung, sondern als künstlerischen Beitrag". Ohne die DSDS-Jury, der Bohlen gewissermaßen vorsitzt, "würde die Sendung nicht funktionieren". Die Jury sei wesentlicher Teil des Show-Konzepts.
Ist natürlich eine megageile Hammernachricht für Herrn Bohlen, der sich vor ein paar Wochen noch von Howie Carpendale (63, "Hello Again") dafür schelten lassen musste, dass die vom Dieter geschriebenen Hits wie "Cheri Cheri Lady" grammatikalisch dünn seien.
Reden wir jetzt aber mal über Inhalte. Oder noch gewichtiger: über Geld. Denn mag das Urteil auch Bohlens Freud' sein, ist es gleichzeitig RTLs Leid: Denn sein Haussender muss kräftig zahlen. Bohlen und seine austauschbaren Jury-Beisitzer hatten laut Gericht allein zwischen 2001 und 2005 insgesamt etwa vier Millionen Euro erhalten. Dafür wollte die Künstlersozialkasse als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung 173 462,92 Euro allein für die ersten beiden Staffeln vom Sender haben. RTL hatte die Zahlung verweigert und gegen die Forderung geklagt. Weil sich die Jury-Mitglieder selbst auch nicht als Künstler verstünden ...
Dabei beglückt Dieter Bohlen die Nation doch mit wahren Sprachbildern wie "Wenn du deine Stimme zwischen zwei Mülltonnen stellst, können wir ein schönes Familienfoto machen." Aufmerken: Müllecke! Das klingt fast wie Fettecke. Und jenes Kunstwerk von Joseph Beuys (gest. 64), trifft - jenseits jedes Ernährungsbewusstseins - auch nicht jeden Geschmack.
Bleiben die Fragen: Was ist eigentlich Kunst? Wer macht Kunst? Und: Wer macht's dann wieder weg?
Vielleicht hat Dieter Bohlen die Antwort. Oder zumindest einen passenden Spruch.