Experte: Die Tiere spüren, wenn ein artfremdes Wesen in Not geraten ist. Vor allem Einzelgänger sind kontaktfreudig.

Wellington. Es klingt wie im Märchen: Das Delfinweibchen Moko, ein wild lebender Großer Tümmler, rettete an der Küste Neuseelands eine Walkuh und ihr Kalb. Moko schwamm zu den zwei gestrandeten Zwergpottwalen am Strand von Mahia und geleitete sie an einer Sandbank vorbei sicher ins offene Meer. "Ich habe noch nie von so etwas gehört, es war erstaunlich", sagte Malcolm Smith vom örtlichen Tier- und Umweltschutzamt, der die Rettungsaktion beobachtete. Moko ist in Mahia eine alte Bekannte, da sie oft mit den Badenden spielt.

Malcolm Smith war alarmiert worden, weil ein drei Meter großer Zwergpottwal mit einem 1,5 Meter langen Kalb gestrandet waren. Die Tiere hatten offenbar wegen einer Sandbank die Orientierung verloren. "Anderthalb Stunden lang schob ich sie mehrmals wieder in Richtung Meer, aber sie wollten sich nicht vom Strand fortbewegen", berichtete der Umweltbeamte gestern. "Mir wurde langsam sehr kalt, nass war ich auch, und die Wale wurden immer müder. Ich dachte schon daran aufzugeben." In solchen Situationen werden Wale oft eingeschläfert, um ihrem Leiden ein Ende zu machen. Diesmal kam es anders. Moko tauchte auf, und Smith hörte Geräusche, die der Delfin und die Wale machten. "Die Wale nahmen Kontakt zu dem Delfin auf, und er begleitete sie 200 Meter weit an der Sandbank entlang. Dort mussten sie eine 90-Grad-Wendung machen und durch eine ziemlich schmale Stelle schwimmen. So brachte der Delfin die Wale aufs offene Meer", sagte Smith. Er habe Mutter und Kalb seither nicht mehr gesichtet und gehe davon aus, dass sie wohlauf seien. "Was das für eine Kommunikation war, weiß ich nicht. Irgendwas ist geschehen, das es Moko ermöglichte, die Wale in Sicherheit zu bringen."

Für Dr. Karsten Brensing, Meeresbiologe bei der Wal- und Delfinschutz-Organisation WDCS, passt die Rettungsaktion durchaus in das Verhaltensmuster der Delfine: "Von Großen Tümmlern - und nur von dieser Delfinart - ist bekannt, dass es in Ausnahmefällen Tiere gibt, die nicht in der sonst üblichen Gruppe leben. Diese Einzelgänger sind sehr kontaktfreudig. Sie interagieren mit artfremden Partnern, etwa Menschen. Ein solches Einzeltier ist offensichtlich auch Moko." Ein zweites Verhaltensmuster von Delfinen sei in Mahia hinzugekommen, so Brensing, der seine Doktorarbeit zu Delfintherapien schrieb: "Die Tiere haben ein Konzept von Not. Das heißt sie spüren, wenn andere, auch artfremde Tiere oder sogar Menschen, in Not geraten sind. Das weckt zum einen Neugier, zum anderen Hilfsbereitschaft, die tief in den Tieren verankert ist. Denn sie lernen beim Aufwachsen, dass es sich lohnt, in die Gemeinschaft zu investieren." Es sei durchaus möglich, dass der Delfin die Not erkannt und einen Lösungsweg gesucht habe, so der Verhaltensbiologe. Er betont aber, dass es sich bei der tierischen Heldentat auch um einen Zufall handeln könne. An eine Kommunikation im menschlichen Sinn glaubt Brensing nicht: "Von Schwarmfischen ist bekannt, dass einzelne Tiere gezielt in eine Richtung schwimmen, um den Schwarm zu lenken. Folgt die Masse nicht, kehrt der Vorreiter um, schwimmt erneut zielstrebig los. Das wiederholt er, bis der Schwarm folgt. So ähnlich könnte Moko die Wale geleitet haben."

Mit seiner Aktion ist das Delfinweibchen nun endgültig ein Star. Es war in Neuseeland ohnehin dafür bekannt, mit Menschen in den Wellen zu spielen oder Kajaks mit der Schnauze vor sich herzuschieben. In Mahia stranden jährlich etwa 30 Wale, die meistens eingeschläfert werden müssen. "Ich weiß nicht, ob wir sie beim nächsten gestrandeten Wal vielleicht rufen können", sagt Malco Smith.