Wie beurteilen erfahrene Piloten aus Hamburg das “Wunder vom Hudson River“? Zwei Lufthansa-Flugkapitäne, die ihren Namen nicht nennen dürfen, geben...
Wie beurteilen erfahrene Piloten aus Hamburg das "Wunder vom Hudson River"? Zwei Lufthansa-Flugkapitäne, die ihren Namen nicht nennen dürfen, geben Antwort. Flugkapitän W. L., Ausbilder bei der Fluggesellschaft, 15 000 Flugstunden und 5000 Simulatorstunden, aktiver A320-Pilot, der auch schon den Jumbo flog, warnt: "Wir müssen uns vor schnellen Antworten hüten! Wir wissen nicht, ob beide Triebwerke total ausgefallen waren oder ob ein Triebwerk noch Schub lieferte. Wir wissen auch nicht, ob die Landeklappen ausgefahren werden konnten oder nicht, oder ob der Crew noch Hydraulik oder Elektrik zur Verfügung standen. Jedenfalls hat der Pilot unter großem Druck die richtige Entscheidung getroffen. Er ist nicht in Panik geraten und hat eine sichere Lösung der dramatischen Probleme gefunden, die 155 Menschen das Leben rettete."
Ein Absturz über dem Häusermeer von New York beim Versuch, doch noch einen nahegelegenen Flughafen zu erreichen, hätte mit einer Katastrophe geendet. Die Piloten haben aber auch das Glück gehabt, dass der breite Hudson River beim Eintreten des Notfalls unmittelbar vor der Flugzeugnase lag. Können derartige Notlandungen überhaupt geübt werden? "Nein, auch nicht im Simulator. Aber wir wissen, was zu tun ist und tauschen alle Erfahrungen aus. Über Erfolg oder Misserfolg entscheiden aber nicht nur Glück und günstige Umstände, sondern auch folgende Faktoren: Die Maschine muss so langsam wie möglich und waagerecht an die Wasseroberfläche herangeflogen werden. Unmittelbar vor dem Aufsetzen werden die Triebwerke abgeschaltet, falls sie nicht schon vorher ausgefallen sind, und die Maschine wird 'ausgehungert', bis die Luftströmung abreißt. Wichtig ist, dass das Flugzeug nach dem Aufsetzen die Richtung beibehält, sich also geradeaus weiterbewegt. Berühren eine Tragfläche oder ein Triebwerk dagegen zuerst das Wasser, kommt es zum gefürchteten 'Ringelpietz', das Flugzeug wird herumgerissen und zerbricht."
Ein anderer Lufthansa-Kapitän mit 18 000 Flugstunden illustriert die Gefahren einer Notwasserung mit dem Hinweis auf die missglückte Notlandung einer entführten äthiopischen Boeing 767, der der Sprit ausgegangen war, vor einem Badestrand im Indischen Ozean. Die Entführer hatten die flehentlichen Bitten der Piloten, auf dem nächsten Flughafen auftanken zu können, abgelehnt. Es kam, wie es kommen musste: Der Düsenriese berührte beim Aufsetzen mit einer Tragflächenspitze die Brandung und wurde beim Aufschlag herumgerissen und zerstört. 123 Menschen kamen um, 52 wurden noch aus dem Meer gerettet.
Frage an den Flugkapitän: Würden Sie notfalls auf der Elbe notwassern? "Wenn es gar nicht anders ginge, würde ich es natürlich versuchen. Auf der Elbe wäre es allerdings gefährlicher, weil sie viel schmaler ist als der Hudson River." Allerdings sei dies ein unwahrscheinliches Szenario, da diesseits und jenseits der Elbe mehrere Flughäfen liegen.