Mit einem Geständnis könnte Helg Sgarbi, der die Quandt-Erbin um sieben Millionen Euro betrogen haben soll, seinem Opfer den Auftritt vor Gericht ersparen. Dann könnte aus der mit Spannung erwarteten Verhandlung in München ein kurzer Prozess werden.
München. Saal 101, Landgericht München, heute 9.30 Uhr: Premiere der großen Gerichts-Telenovela. Hauptdarsteller: Gigolo Helg Sgarbi (44). Der smarte Schweizer soll reichen Damen die Herzen gebrochen und sie um Millionen betrogen haben. Wer sich nicht abkassieren ließ, den erpresste der gelernte Übersetzer mit Sex-Videos. Die entstanden in einem Hotel mit versteckter Kamera in den gemeinsamen Liebesnächten. Dass Helg Sgarbi nun auf der Anklagebank sitzt, hat er einem seiner prominentesten Opfer zu verdanken: Der BMW-Erbin und Milliardärin Susanne Klatten (46). Nachdem er sie überreden wollte, nach den ersten sieben Millionen Euro auch noch 290 Millionen für eine Stiftung lockerzumachen, zeigte sie ihn an. Ob sie und die drei anderen Opfer in den Zeugenstand müssen, hängt nun allein von Sgarbi ab. Möglicherweise legt er heute ein Geständnis ab. Nach Informationen der Münchner "Abendzeitung" sei folgender Deal vereinbart worden: Sgarbi legt ein Teilgeständnis ab und bekommt eine mildere Strafe. Susanne Klatten und den anderen Opfern bleibt so ein peinlicher Auftritt vor Gericht erspart. Dies hatte zuvor auch der Vorsitzende Richter Gilbert Wolf betont. Wenn Sgarbi gesteht, wird aus den geplanten vier Verhandlungstagen ein ganz kurzer Prozess.
Der Verführer soll höchst professionell vorgegangen sein. Susanne Klatten (verheiratet, drei Kinder) fragte sich später, woher er wusste, dass sie sich im Hotel Lanserhof aufhielt: "Es wussten nur sehr wenige Leute überhaupt von meinem Kuraufenthalt in Tirol. Ich hatte das Gefühl, dass Sgarbi ganz bewusst da war. Vom Kuraufenthalt wusste nur ein kleiner Kreis, unter anderem Personen aus dem Umfeld eines Mannes, mit dem ich einmal eine Affäre hatte."
Gemeint ist der Universitätsdozent Peter S. (Name geändert) aus Gräfelfing. Sgarbi sprach über Reiseziele, von denen Klatten ihrem Ex-Lover erzählt hatte. "Auch von meiner Vorliebe für das Buch 'Der Alchimist', die Peter S. auch bekannt war", schien Sgarbi zu wissen.
Der Schweizer gehört seit fast 20 Jahren der Sekte des ehemaligen Gebrauchtwagenhändlers Ernano Barretta (64) an. Er gibt sich als Wunderheiler aus und verspricht Krebskranken Heilung. Sgarbi soll nicht einmal ein Glas Wasser getrunken haben, ohne seinen Meister zuvor um Erlaubnis zu bitten. Sgarbis Auftrag war klar definiert: die Herzen reicher Frauen brechen, um an deren Millionen für die Sekte zu gelangen. Eines seiner beliebten Jagdreviere war der Lanserhof bei Innsbruck. Sgarbi parliert in sechs Sprachen. Sobald er seine Opfer ausgenommen hatte, lieferte er die Beute bei seinem Meister in Pescosansonesco ab. Bei Barretta sollen auch die sieben Millionen von Susanne Klatten gebunkert sein.
Das Geld übergab sie Sgarbi am 11. September 2007, sauber verpackt in einem Umzugskarton, in der Tiefgarage im Holiday Inn in München. Barretta legte einen Teil des Geldes - da sind sich die italienischen Ermittler sicher - in Luxusautos, Immobilien und Grundstücke an. Barretta selbst fährt einen Audi Q 7, Sgarbi reiste nicht weniger luxuriös in einem Mercedes 300 SD. Inzwischen wurden vier Häuser, zwei Grundstücke und der Sektenfuhrpark von rund 60 Autos beschlagnahmt. Aber wo sind die Sex-Videos? Helg Sgarbi soll am 21. August 2007 im Zimmer 629 im Holiday Inn heimlich ein Intim-Video gedreht haben. Klatten zog am 9. Oktober 2007 einen Schlussstrich und erklärte die Beziehung für beendet.
Sieben Tage später hinterlegte er an der Rezeption im Hotel Lanserhof einen Brief für Klatten. Darin forderte er sie auf, sofort wieder Kontakt mit ihm aufzunehmen. Ansonsten würde er ihre ehemalige Beziehung in der Öffentlichkeit verbreiten. Anbei zwei Videoprints. Doch wo sind die Videos? Der Münchner Oberstaatsanwalt Anton Winkler: "Wir wissen nicht einmal, ob welche existieren." Auch Sgarbis Strafverteidiger Egon Geis weiß es nicht: "Vielleicht wird das im Prozess geklärt." Unklar ist auch, was Sgarbis Ehefrau Gabriella Franziska (40) weiß. Die beiden haben eine drei Jahre alte Tochter. Ihr Anwalt Till Gontersweiler: "Sie wird nicht aussagen."
In einem Telefongespräch, das die italienische Polizei angezapft hatte, schlug er ihr vor, die Klatten-Millionen zurückzuzahlen oder wenigstens einen Teil davon. Sgarbis Ehefrau hatte offenbar auch versucht die Milliardärin zu erpressen. Sie wollte erreichen, dass die BMW-Großaktionärin die Anzeige gegen ihren Mann zurückzieht. Am Telefon sagte sie zu ihrem Anwalt: "Diese Frau hat noch ein Gesicht zu verlieren." Die italienische Justiz hat gegen Frau Sgarbi ein Verfahren wegen Beihilfe zum Betrug eingeleitet. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu drei Jahre Haft.