Funkverkehr der “Costa Concordia“ ausgewertet. Insel Giglio verliert ihre Urlauber

Grosseto/Rom. Die spektakulären Bilder haben Giglio schlagartig in aller Welt bekannt gemacht. Doch nun wird das vor fünf Monaten gekenterte Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" für die beschauliche Insel vor der toskanischen Küste allmählich zum Verhängnis. Katastrophentouristen strömen in Massen herbei, aber sie machen nur ihre Fotos und reisen mit der nächsten Fähre wieder ab. Dafür bleiben die zahlenden Urlauber, von denen Giglio lebt, in diesem Sommer weg. "Die Lage ist extrem schlecht", klagt der stellvertretende Bürgermeister Mario Pellegrini.

Die 30 mal 40 Meter große schwimmende Plattform des Bergungsunternehmens Microperi neben dem Ozeanriesen lädt in der Tat nicht gerade zur Entspannung ein. Von hier aus sollen Pfähle für eine Unterwasser-Plattform in den Meeresboden gerammt werden, auf die man die "Costa Concordia" wälzen will, um sie abschleppen zu können. Das wird noch Monate dauern, was die Lage der Hotels und Gastronomen weiter verschärft.

Hinter den Kulissen liefern sich die Anwälte von Unglückskapitän Francesco Schettino und der Genueser Reederei Costa Crociere, die sich als Geschädigte sieht, einen erbitterten Kampf. Dem Süditaliener werden mehrfache fahrlässige Tötung und Körperverletzung, Havarie, Verlassen seines Schiffes während der Evakuierung sowie mangelnde Kommunikation mit dem zuständigen Hafenamt in Livorno vorgeworfen. Schettino, 52, soll an jenem Freitag den 13. Januar das Schiff mit 3200 Passagieren an Bord zu nahe an die Insel gesteuert haben, worauf es mit einem Felsen kollidierte und leckschlug. 30 Menschen starben, darunter zwölf Deutsche. Zwei Personen werden noch vermisst.

Inzwischen förderte die Auswertung der Blackbox aus dem Schiff aufschlussreiche Tonaufnahmen zutage. Demnach gestand Schettino, kurz nachdem er den Felsen gestreift hatte, in einem Funkgespräch mit dem ständigen Krisenstab seiner Reederei: "Ich weiß, ich bin schuld." Er wolle in Kürze den Anker werfen. "Dann werden wir ein paar Schlepper rufen müssen." Es kam anders. Die Kollision mit dem Felsen am Taucherparadies "Le Scole" hatte den Schiffsrumpf auf 70 Meter Länge aufgerissen, und innerhalb kurzer Zeit drehte sich der Riese um seine eigene Längsachse und legte sich vor der Hafeneinfahrt auf die Seite.

Schettino darf seine Wohnung in Meta di Sorrento nicht verlassen, denn für die Richter in Rom besteht weiterhin Verdunkelungsgefahr. Das Haus, in dem er sich aufhält, liegt in einer Altstadtgasse, die für Autos viel zu schmal ist. Um Unbefugte fernzuhalten, müssen sich Besucher an der letzten Ecke vor dem Eingang telefonisch anmelden. Kurz darauf öffnet sich die Haustür wie von Geisterhand und wird hinter dem Eintretenden rasch geschlossen.

Die Untersuchungsrichter bestätigten erst vor wenigen Tagen den Hausarrest und wiesen die Forderung der Anklage nach einer Inhaftierung Schettinos zurück. Sie äußerten außerdem, dass der Kapitän "völlig ungeeignet für Kommandofunktionen und das Tragen von Verantwortung für andere Personen" sei. Diese Einschätzung könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie die Reederei für mitschuldig halten. Der Prozess soll am 21. Juli beginnen

Wenige Dutzend Kilometer Luftlinie vom Unglücksort entfernt verteidigt Bruno Leporatti in seiner Kanzlei am Dom von Grosseto das Verhalten Schettinos. Dieser werde sich seiner Verantwortung stellen. Aber auch Leporatti vertritt die Auffassung, dass ein Teil der Schuld die Reederei treffe. An Bord hätten nicht alle nötigen Sicherheitseinrichtungen (wie die automatische Schließung der Schotten) funktioniert, erklärt der bärtige Jurist geduldig, ohne sich von den Skandalgeschichten um den Kapitän beunruhigen zu lassen.

Eine davon dreht sich um Domnica Cemortan, 25, deren Gepäck Taucher später in Schettinos Kabine sicherstellten. Die blonde Moldawierin änderte in den vergangenen Monaten immer wieder ihre Version der Unglücksnacht. Mal beschwor die Tänzerin, die auf dem Kreuzfahrer Urlaub gemacht haben will, ihre Liebe zu dem verheirateten Schettino. Eine anderes Mal rechtfertigte sie ihre Anwesenheit auf der Kommandobrücke in der fraglichen Nacht mit Ansagen, die sie für die russischen Passagiere an Bord machen sollte.