Die Sucht hat die Deutschen fest im Griff: Viele kommen nicht von Flasche, Kippe und Automaten los.
Berlin. Komasaufen, Automatenspiel, Rauchen: Trotz der anhaltenden Gesundheitsbewegung kommen viele Deutsche nicht von ihrer Sucht los. Getrunken wird schon fast so viel wie bei Spitzenreiter Russland. Das so genannte Komasaufen bleibt ein gravierendes Problem vieler Jugendlicher – auch wenn insgesamt weniger Minderjährige als früher trinken, rauchen oder kiffen. Millionen Bundesbürger kommen nicht von der Flasche, den Zigaretten oder auch den Spielautomaten los.
Immer mehr Jugendliche werden mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus gebracht – Sucht in allen Facetten hat Millionen Bundesbürger im Griff. Insgesamt greifen Jugendliche in Deutschland aber seltener zu Flasche, Zigarette oder Joint. Das geht aus dem neuen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung hervor. „Es ist der Alkohol, der uns im Moment die größten Schwierigkeiten macht“, sagte die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans bei der Vorstellung am Dienstag in Berlin.
Beim berüchtigten Komasaufen gebe es keine Trendwende, vor allem Jungen trinken sich regelmäßig bewusstlos. Jeder fünfte 12- bis 17-Jährige trinkt sich laut Bericht mindestens einmal pro Monat in einen Rausch, bei den 18- bis 25-Jährigen war es sogar jeder zweite. 2009 wurden 26 400 Menschen zwischen 10 und 20 Jahren wegen Alkoholmissbrauchs akut im Krankenhaus behandelt – 2,8 Prozent mehr als noch 2008, sogar 178 Prozent mehr als 2000.
Dyckmans rief die Händler dazu auf, Jugendlichen keinen Alkohol zu verkaufen: „Ich erwarte vom Einzelhandel und den Tankstellen, dass die vereinbarten Maßnahmen auch wirklich flächendeckend umgesetzt werden.“ Mit im Schnitt zehn Liter reinen Alkohols pro Kopf und Jahr sei Deutschland „an vorderster Stelle im Ländervergleich“, sagte die FDP-Politikerin. Deutschland liegt weltweit damit an siebter Stelle hinter Spitzenreiter Russland sowie Ländern wie Frankreich, Tschechien, Estland, Irland und Luxemburg. Allein zehn Prozent der Menschen tränken von der Gesamtmenge in Deutschland etwa die Hälfte.
Insgesamt 16 Millionen Menschen rauchen. 110 000 Menschen sterben pro Jahr daran. 1,4 Millionen sind abhängig von Medikamenten, 1,3 Millionen von Alkohol, wie Dyckmans mitteilte. Insgesamt gefährden sich 9,5 Millionen Menschen durch übermäßiges Trinken. Mindestens 73 000 sterben jedes Jahr an den Folgen von Alkoholmissbrauch.
„Circa 200 000 Menschen weisen einen problematischen Cannabiskonsum auf“, berichtete die Drogenbeauftragte weiter. 200000 Menschen nähmen andere illegale Drogen.
Bis zu 600 000 Menschen gelten als glücksspielsüchtig. Besonders in Gaststätten mit Spielautomaten werde der Jugendschutz zu wenig beachtet. Dyckmans stellte hier gesetzliche Verbesserungen in Aussicht, ohne Einzelheiten zu nennen. Im Februar hatte die Drogenbeauftragte mit dem Vorstoß, die bis zu 70 000 Spielgeräte in Gaststätten, Tankstellen, Einkaufszentren und Flughäfen abzubauen, in der Regierung wenig Begeisterung ausgelöst.
560 000 Menschen seien abhängige Internetnutzer, teilte Dyckmans zudem mit. „Die Internetsucht beginnt dann, wenn man sich überhaupt nicht mehr aus dem Netz herausbewegt und die sozialen Kontakte völlig abbricht.“Weniger Minderjährige als in den vergangenen Jahren greifen zu Suchtstoffen. 2010 tranken 13 Prozent der 12- bis 17-Jährigen regelmäßig Alkohol – nach 21 Prozent sechs Jahre zuvor. 13 Prozent der Jugendlichen rauchen – nach 23 Prozent 2001. 5 Prozent nehmen ab und an Cannabis – fünf Punkte weniger als vor sechs Jahren. (dpa)