Berlin. ARD-Dopingexperte verzichtet auf Anraten deutscher Behörden auf eine Reise nach Russland. Seine Sicherheit sei gefährdet.
Der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt reist nicht zur Fußball-WM nach Russland. Diese Entscheidung trafen ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky (NDR) und die verantwortlichen Redaktionen in Absprache mit Seppelt, wie der Sender am Donnerstag bestätigte. Zuvor hatten am Mittwochabend tageschau.de und rbb über Seppelts WM-Absage berichtet, die demnach nach einem Gespräch mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gefallen sei. Grundlage seien Gefährdungsanalysen von Bundessicherheitsbehörden gewesen, darunter des Bundeskriminalamts, der Nachrichtendienste und des Landeskriminalamts. Demnach hätte im Falle einer Russland-Reise ein "unberechenbares Risiko" für Seppelt bestanden.
"Die Sicherheit von Hajo Seppelt steht bei uns an erster Stelle", sagte Balkausky. "Aus diesem Grund haben wir uns nach intensiver Prüfung der Sachlage und unter Berücksichtigung aller Informationen, die uns vorliegen, für diesen Weg entschieden."
Die Sprecherin des Auswärtigen Amts, Maria Adebahr, sagte: "Der Außenminister unterstrich, dass sich das Auswärtige Amt gegenüber den Ansprechpartnern in Russland nachdrücklich dafür einsetzt, dass Medien gerade auch während der WM frei und unabhängig ihrer Arbeit nachgehen können." Dies habe das Auswärtige Amt auch in diesem Fall getan, so Adebahr. "Minister Maas wies aber auf die möglichen Risiken bei einer Reise Herrn Seppelts nach Russland anlässlich der WM hin. Er unterstrich, dass das Auswärtige Amt die Analysen auch der zuständigen Innenbehörden ernst nehmen müsse und mit Blick auf Sicherheitsfragen zu keiner andersgelagerten Einschätzung gelangen könne."
Seppelt bedauert die Entwicklungen
Seppelt selbst bedauere die Entwicklung, trage aber die Entscheidung mit. "Den Sicherheitswarnungen des Bundeskriminalamtes kann ich mich nicht verschließen", sagte der Doping-Experte. "Insgesamt ist es eine besorgniserregende Entwicklung für den Sportjournalismus, wenn die Ausübung des Jobs bei der Fußball-WM mit kaum kalkulierbaren Risiken und womöglich folgenschweren Konsequenzen verbunden ist." In einer Live-Sendung zur WM im Ersten (ab 15.10 Uhr) wird sich Seppelt heute noch einmal ausführlich zu der gesamten Thematik äußern.
Hintergrund der WM-Absage sind Recherchen Seppelts zum Doping im deutschen und weltweiten Spitzensport. Er hatte unter anderem ein staatlich organisiertes Dopingsystem in Russland aufgedeckt. Darauf durften russische Sportler bei den zurückliegenden Winterspielen in Pyeongchang nicht unter der Flagge ihres Heimatlandes starten. Seither gilt Seppelt in Russland als Staatsfeind. Im Mai hatten die russischen Behörden dem 55-Jährigen zunächst die Ausstellung eines Visums verweigert, ihm dann aber überraschend doch die Einreise erlaubt. Unter anderem hatte sich auch die Bundesregierung für Seppelt eingesetzt.
Grüne fordern Konsequenzen von Politikern und Fifa
Nach der neuerlichen Wendung fordern nun die Grünen deutsche Politiker dazu auf, dem Fußball-Turnier in Russland ebenfalls fernzubleiben. "So sehr ich mich auf die Spiele der deutschen Mannschaft freue: Wenn es für deutsche Journalisten zu gefährlich ist, zur WM zu reisen, weil ihnen durch staatliche Behörden die Festsetzung droht, sollten auch deutsche Politiker aus Solidarität nicht fahren", erklärte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock am Donnerstag.
"Der Fall verdeutlicht, wie dramatisch es um die Pressefreiheit insgesamt in Russland steht." Für den Weltfußballverband Fifa müsse das ein Nachspiel haben. "Pressefreiheit ist bei der Vergabe ein Fifa-eigenes Kriterium. Länder, die das nicht garantieren, dürfen zukünftig nicht mehr für solche internationalen Veranstaltungen infrage kommen."
Seppelt protestierte vor russischer Botschaft
Die heute beginnende WM in elf russischen Städten dauert bis zum 15. Juli. Russland steht auf der Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" auf Platz 148 von 180 Ländern.
Erst am Dienstag hatte die Organisation vor der russischen Botschaft in Berlin mit einem eigenen WM-Ball gegen die eingeschränkte Pressefreiheit protestiert. Verpixelte Bilder auf dem Ball lassen sich über einen integrierten Chip entpixeln. So werden Informationen sichtbar etwa über inhaftierte Journalisten. Ein Mann mit Putin-Maske präsentierte den Ball.
"Fifa und DFB müssen ihren Einfluss auf die Regierung in Moskau nutzen, um die Arbeit von Journalisten während der WM sicherzustellen", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. Auch Hajo Seppelt unterstützte die Aktion in Berlin.