Hamburg. Die Mannschaft vom Parkweg holte mit einem 3:0-Sieg beim SC Victoria den Titel. Was “Mister Sasel“ jetzt macht.
Der neue Meister der Fußball-Oberliga Hamburg heißt TSV Sasel. Mit einem 3:0 (2:0)-Sieg beim SC Victoria sicherte sich das Team vom Parkweg den zweiten Titel seiner Vereinsgeschichte. Die Saseler waren die beste Mannschaft in dieser Saison, verzichten aber auf den möglichen Aufstieg in die Regionalliga Nord. Der Tabellendritte Eimsbütteler TV (2:3 gegen den Niendorfer TSV) und der Tabellenvierte Altona 93 (1:1 bei Tura Harksheide) wollen dagegen hoch.
Sasels Trainer gab seinen Spielern das verlängerte Wochenende frei
Die in die Luft geschossenen Raketen der Fans des TSV Sasel malten ein friedliches, buntes Feuerwerk in den Himmel über dem Stadion Hoheluft am Lokstedter Steindamm. Die TSV-Anhänger sangen „Es gibt nur einen Danny Zankl“ – und der besungene Chefcoach des neuen Meisters der Oberliga Hamburg verkündete unter dem Jubel seiner Spieler einen trainingsfreien Wochenanfang.
„Der liebe Gott hat uns am Montag zum Glück einen Feiertag geschenkt. Wir werden also nicht wie geplant trainieren, sondern unser verlängertes Wochenende jetzt auskosten und genießen“, sagte Zankl.
Zankl dankt seiner Familie und vielen Leuten aus dem Umfeld
Ruhig und gefasst stand der 35 Jahre alte Meistertrainer, den seine Spieler kurz zuvor im Jubelrausch auf Händen getragen und mehrfach in die Luft geworfen hatten, auf dem Rasen. „Ich genieße das einfach“, sagte Zankl mit Blick auf die Feierlichkeiten seiner Spieler mit den Fans.
„Und ich weiß, bei wem ich mich zu bedanken habe. Das sind mein Vater, mein Bruder, meine Schwester, meine Freundin und ganz viele Leute im Umfeld. Vor neun Jahren haben wir alle gemeinsam das Projekt TSV Sasel gestartet, und ich Pflegefall wurde mit 26 Jahren an die Linie gestellt. Nun sind wir Hamburger Meister. Das haben sich einige Leute hier richtig doll verdient.“
TSV Sasel machte in dieser Saison auch die Big Points
Außerdem brach Zankl eine Lanze für seine Spieler, ließ dabei einen tiefen Einblick in sein Innenleben zu. „Uns ist oft vorgeworfen worden, wir würden nur schön spielen, aber nie die Big Points machen. Meine Spieler aber hatten die Mentalität für den Titel. Sie waren stabil, widerstandsfähig und leidensfähig.“
Dies waren die entscheidenden Zutaten, die dem TSV Sasel, dessen fußballerische Klasse seit Jahren in Hamburg unbestritten ist, den Erfolg ermöglichten. „Eine Meisterschaft entscheidet sich in den Spitzenspielen. Und in der Oberliga Hamburg ist die TuS Dassendorf seit vielen Jahren das Nonplusultra“, sagte der Bruder des Trainers, Offensivspieler Nico Zankl (31), zum Thema Mentalität und Leidensfähigkeit.
Sasel besiegte Dassendorf in dieser Saison gleich zweimal
In beiden Partien dieser Saison schlug Sasel den finanziell potenteren und übermächtig erscheinenden Serienmeister mit Rekordtorschütze und Ex-Profi Martin Harnik (35). Dem rasanten 2:1 im Hinspiel am 12. Oktober daheim am Saseler Parkweg folgte am 1. April ein 1:0 am Dassendorfer Wendelweg, bei dem die Saseler dem Favoriten eine kämpferisch aufopferungsvolle Abwehrschlacht lieferten.
Auch wenn Dassendorf später noch stolperte und Punkte abgab, so war diese zweite Partie letztlich der Big Point. Statt gefühlt mit möglichen Siegen in ihren Nachholspielen fünf Punkte Vorsprung zu haben, befand sich die TuS Dassendorf nun weiter in der Drucksituation, als Verfolger in allen Spielen siegen zu müssen – und hielt dem nicht stand.
Vor neun Jahren begann der Aufbau der Meister-Mannschaft
„An die Möglichkeit, irgendwann einmal Hamburger Meister zu werden, haben wir damals in unseren kühnsten Träumen nicht gedacht“, blickte Nico Zankl mit dem Meisterbier in der Hand auf die Anfänge des Projekts TSV Sasel zurück.
Diese liegen im Sommer 2014. Danny Zankl als Trainer, Bruder Nico als Spieler und ihr Vater Achim als Liga-Obmann nahmen sich vor, einen mittelmäßigen Landesligisten zum festen Bestandteil der Oberliga Hamburg zu machen.
Dabei profitierte Danny Zankl von der familiären Struktur im Club. Er durfte als junger Trainer lernen, sich seine Mannschaft gezielt aufbauen. Nach Platz sechs in der ersten Saison wurde der Aufstieg im zweiten Jahr als Dritter knapp verpasst. Den Cheftrainer auszutauschen, kam jedoch nicht infrage. In der dritten Saison gelang 2017 der Aufstieg in die Oberliga Hamburg.
Sasel ist eine der technisch besten Mannschaften der Oberliga
Dort entwickelte sich die Mannschaft zu einer technisch versierten Bereicherung der höchsten Spielklasse Hamburgs, die ihre Gegner oftmals mit zauberhaften Kombinationen auseinander nahm. Als eine von nur wenigen Teams verstand der TSV die Kunst, tief stehende Gegner effektiv zu bespielen.
Das lag unter anderem daran, dass der stets mit mehreren Matchplänen ins Spiel startende Trainer Zankl, der viele Spieler aus den eigenen Reihen zu gestandenen Oberligaakteuren formte, in der Offensive einen bestimmten Stil bevorzugte: schnell, wendig, mit technischen Tricks und wenigen Ballkontakten auf engstem Raum agierend, sollte sein Team spielen.
Dutzende hohe Bälle auf einen großen Zielspieler im Zentrum zu schlagen, in der Hoffnung auf ein Kopfballtor oder zu verwertende Abpraller, das war für Danny Zankl, der sich schnell zum Taktikfuchs entwickelte, nur die absolute Notoption.
TSV Sasel steht auch im Pokalfinale gegen Teutonia 05
In der Oberliga Hamburg wurde sein Team Sechster, Siebter, Fünfter und Dritter, erreichte 2020 das Hamburger Pokalfinale (1:5 gegen Regionalligist Eintracht Norderstedt), in dem das Team in dieser Saison am 3. Juni mit der Chance aufs Double erneut steht. Interessanterweise erneut an der Stätte des aktuellen Triumphs im Stadion Hoheluft – und wieder gegen einen Regionalligisten, den FC Teutonia 05.
In den vergangenen Jahren lernte Danny Zankl auch die Schattenseiten seiner unangefochtenen Stellung im Verein kennen. Der im positiven Sinne fußballverrückte Coach, dessen Analysen selbst von einzelnen Spielsequenzen in Interviews manchmal minutenlang ausfallen konnten, kümmerte sich mittlerweile im sportlichen Bereich um sehr vieles.
TSV-Trainer Zankl wird auch Mister Sasel genannt
Saisonplanung, Spielergespräche, Scouting von neuen Akteuren für die Mannschaft, dazu natürlich das Training und die Spiele – Zankl, auch beruflich eingespannt, wurde als Mister Sasel langsam müde. Seinen überragenden Fußball-Sachverstand gab es im Club bei allem Engagement der Verantwortlichen kein zweites Mal.
Eine Person, die ihm auf seinem Anspruchsniveau vieles hätte abnehmen können, war nicht in Sicht. Also entschied er sich Mitte Februar dafür, seine Tätigkeit in Sasel am Saisonende zu beenden. „Ich muss mal raus aus diesem System Fußball“, sagte er damals zur Begründung seiner Pause.
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Die Saseler Clubverantwortlichen waren traurig, konnten ihn aber verstehen und würdigten seine Verdienste angemessen. „Nicht nur als Mensch ist Danny herausragend, auch sein nahezu unendliches Fachwissen und Engagement um den Fußball machen ihn einzigartig“, hieß es in der damaligen Pressemitteilung.
Die Mannschaft hatte sich vor einem Jahr den Titel vorgenommen
Nun hat Zankl seine lange Reise mit seinem Heimatverein, dem er schon 1990 als kleiner Junge beitrat, mit dem Titelgewinn beendet. Einem Titelgewinn, auf den man sich intern im Team, sagt Zankl, „schon in der Vorbereitung im Sommer eingeschworen“ habe.
Öffentlich hingegen hatte Zankl die strikte Marschroute vorgegeben und als rhetorisch gewiefter Vorkämpfer auch durchgehalten, nicht von der Meisterschaft zu sprechen. „Es ist unglaublich, was Danny aus diesem Verein gemacht hat. Wie er mit 130 Prozent dabei war, da kann sich jeder eine Scheibe von abschneiden. Nicht die Mannschaft hat heute den Titel des Hamburger Meisters geholt, sondern unser Verein hat ihn gewonnen“, sagte Mittelfeldspieler Deran Toksöz (34).
Sasels letztes Sasionheimspiel steht Freitag gegen Rugenbergen an
Für Danny Zankl, der am Spielfeldrand ab und an recht lautstark agierte und dabei weder verdiente Spieler, noch Schiedsrichter und ihre Assistenten schonte, steht nun noch eine ungewohnte Erfahrung an. Der wohl taktisch versierteste Trainer der Oberliga Hamburg, den man nachts um drei Uhr hätte wecken können, um mit ihm über Fußball zu diskutieren, bestreitet am kommenden Freitagabend am Saseler Parkweg sein letztes Oberligaspiel vor heimischem Publikum gegen den SV Rugenbergen – ohne den Druck, der ihn, und mit ihm sein Team, die ganze Zeit angetrieben hat: den Druck, unbedingt zu gewinnen.
„Ich wünsche mir bei meinem letzten Heimspiel als Hamburger Meister richtig geiles Wetter und richtig viele Zuschauer“, sagte Zankl. Dann wandte er sich Richtung Victoria-Klause, der Vereinskneipe im Stadion Hoheluft. „Ich hoffe, die geschlossene Gesellschaft drinnen macht bald Platz“, sagte er noch. „Damit wir jetzt so richtig feiern können.“