Hamburg. Wechsel des Aufstiegstrainers nach Brighton ist vollzogen. Seine Nachfolge hat höchste Priorität, wird aber nicht überhetzt angegangen.
Als der englische Schiedsrichter Michael Oliver am Sonnabend um Punkt 18 Uhr im Berliner Olympiastadion die EM-Partie Spanien gegen Kroatien freigab, war dies auch für Fabian Hürzeler der offizielle Anpfiff für seine neue Tätigkeit. Just zu diesem Zeitpunkt gaben nach einvernehmlicher Absprache der FC St. Pauli und der englische Premier-League-Club Brighton & Hove Albion FC genau das offiziell bekannt, was sich zuvor eine Woche lang immer deutlicher abgezeichnet hatte. Der Wechsel von St. Paulis 31 Jahre altem Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler zu den „Seagulls“ war damit perfekt.
Dass der hart ausgehandelte Millionendeal von beiden Seiten in den offiziellen Club-Mitteilungen mit warmen Worten garniert wurde, ist ein Teil des Geschäfts. Über die Höhe der Ablöse kursieren innerhalb der Vereinsgremien unterschiedliche Angaben.
FC St. Pauli: Hürzeler-Wechsel perfekt, Nachfolger gesucht
Inklusive Erfolgsboni ist aber davon auszugehen, dass die Summe auf einen Betrag im hohen einstelligen Millionenbereich anwachsen kann. „Ich möchte Fabian für die sportlich wunderbaren Jahre danken und wünsche mir, dass wir im kooperativen Austausch bleiben“, sagte etwa St. Paulis Präsident Oke Göttlich.
Bestenfalls zwischen den Zeilen ist herauszulesen, in welch angespannter Situation sich der nun auch offiziell trainerlose FC St. Pauli nach Hürzelers Abgang auf die britische Insel befindet. Wie zuletzt beschrieben, hängen auch nahezu alle weiteren Personalplanungen von der erfolgreichen Suche nach einem Nachfolger ab. Erste Gespräche mit verschiedenen Kandidaten wurden nach Abendblatt-Informationen am Wochenende bereits geführt, darunter auch mit Christian Eichner (41) vom Karlsruher SC.
Eichner ein Trainerkandidat beim FC St. Pauli
Ein Ergebnis dieses Castings stand am Sonntag noch aus. Eichners Vertrag beim KSC ist bis 2025 gültig. Die darin enthaltene Ausstiegsklausel im Bereich von einer Million Euro lief am zurückliegenden Sonnabend um 23.59 Uhr ab.
St. Pauli lässt sich bei seiner Wahl des künftigen Übungsleiters, wie schon bei den Verhandlungen mit Brighton, nicht drängen. Bevor eine verfrühte Entscheidung getroffen wird, soll lieber die richtige Entscheidung getroffen werden.
Unklarheit darüber, ob Németh und Knoop bleiben
Die Zeit drängt. Trainingsbeginn ist am 8. Juli. Die Personalplanung treiben Sportchef Andreas Bornemann und Chefscout Jan Sandmann unabhängig davon voran, aber sicher möchte der künftige Trainer seine Meinung in die Kadergestaltung einfließen lassen.
„Eine Entscheidung über die künftige Besetzung des Trainer-Teams beim FC St. Pauli soll nun so schnell, wie es die Gesamtsituation zulässt, geklärt werden“, ließ der FC St. Pauli verlauten. Zu dieser genannten Gesamtsituation zählt in erster Linie auch die Frage, ob Hürzelers bisherige, engste vertraute Assistenten, Co-Trainer Peter Németh (51) und Torwarttrainer Marco Knoop (45), beim Millerntorclub bleiben oder ihrem Chef womöglich nach England folgen.
Präsident Göttlich: „Sehen eine Chance"
Im letzten Fall wären erneute Ablöseverhandlungen vonnöten. Nach Hürzeler hatten beide ihre Verträge bei St. Pauli verlängert, Knoop sogar erst nach dem letzten Saisonspiel.
„Als FC St. Pauli sehen wir nun die Chance, neue Lösungen zu finden, um die Herausforderung Bundesliga mit Klarheit und voller Konzentration anzugehen“, sagte Präsident Göttlich. Eine Aussage, die auch eine komplette Neuaufstellung des gesamten Trainerteams beinhaltet, was für die Aufstiegsmannschaft eine noch einmal größere Umstellung bedeuten würde. Denn auch Németh und Knoop genießen bei den Spielern ein sehr hohes Ansehen.
Hürzeler: „Zeit, einen neuen Weg einzuschlagen"
Auch Cheftrainer Fabian Hürzeler, der jetzt der jüngste Trainer in der Historie der englischen Premier League wird, ließ sich von seinem Ex-Verein mit versöhnlichen Worten zitieren. „Nach vier gemeinsamen Jahren endet meine Reise beim FC St. Pauli. Ich bin dem Verein, den Fans und allen Verantwortlichen sehr dankbar für die gemeinsame Zeit und für das, was wir zusammen erreicht haben“, sagte er dort.
Irritierend allerdings ist, wie Hürzeler auf seinem eigenen Instagram-Account eine inhaltlich ähnliche Passage konkret formuliert. „Nach vier unglaublichen Jahren als Trainer beim FC St. Pauli ist es Zeit für mich, einen neuen Weg einzuschlagen. Es war eine Reise voller Emotionen und unvergesslicher Momente.“
Fader Nachgeschmack bei Hürzeler-Abgang bleibt
Ihm muss dabei bewusst sein, dass der erste Satz dahingehend interpretiert werden kann, dass er nach vier Jahren ohnehin einen beruflichen Tapetenwechsel anstrebte. In Verbindung mit dem halbjährigen Vertragspoker, bei dem er monatelang auf eine Ausstiegsklausel bestanden hatte, die er am Ende nicht bekam, bleibt ein fader Nachgeschmack.
In der Mitteilung seines neuen Clubs, dem Tabellenelften dieser Saison, wird der gebürtige Texaner wie folgt zitiert: „Ich bin absolut begeistert, neuer Trainer bei einem Verein mit einzigartiger Geschichte und mutiger Vision zu werden. Brighton hat unfassbare Fortschritte in den vergangenen Jahren gemacht, und das Ziel ist es, auf diesem Erfolg aufzubauen.“
Den 39 Jahre alten Schiedsrichter Michael Oliver, der übrigens sein EM-Spiel in Berlin tadellos zu Ende brachte, wird Hürzeler nun auch bald persönlich kennenlernen. Wenn sich der Coach, der in der abgelaufenen Saison sieben Gelbe Karten sammelte, an der Seitenlinie ähnlich emotional aufführt wie zuletzt in der Zweiten Liga, kann das auch schnell eine ziemlich unangenehme Begegnung werden.