Hamburg. Wer spielt im Krisenduell mit Würzburg, Svend Brodersen oder Dejan Stojanovic? Und von wem erfuhr Robin Himmelmann von seinem Aus?
Am Dienstagmorgen lernte der FC St. Pauli die Tücken der Technik kennen. Die für neun Uhr terminierte Pressekonferenz mit Cheftrainer Timo Schultz musste um ein paar Minuten verschoben werden, weil Zoom, das Videochat-Programm, nicht so wollte wie der Kiezclub. Keine große Sache, aber es passte irgendwie in das Bild, das der Kiezclub in diesen Tagen abgibt.
Als die Leitung zur Kollaustraße endlich stand, ahnte Trainer Schultz bereits, dass vor allem ein Thema auf der Agenda steht, das seit Tagen über dem Verein wie eine Regenwolke über Hamburg im Winter hängt. Wer steht beim wichtigen ersten Abstiegsendspiel gegen die Würzburger Kickers an diesem Mittwoch (18.30 Uhr, Sky) zwischen den Pfosten? „Svend Brodersen wird spielen, sofern nichts Außergewöhnliches passiert“, erklärte der 43-Jährige.
Rechtzeitige Spielberechtigung für Stojanovic?
Und außergewöhnliche Dinge im Tor sind in dieser Saison allerdings ein Markenzeichen beim Tabellenvorletzten. Die Einschränkung, die Schultz in seiner Aussage einfügte, hing auch mit der Frage zusammen, ob der am Morgen verpflichtete Dejan Stojanovic rechtzeitig seine Spielberechtigung erhält. Der 27-jährige Österreicher wurde vom englischen Zweitligaverein FC Middlesbrough bis zum Saisonende ausgeliehen.
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Da es ein internationaler Transfer ist, muss nicht nur die Deutsche Fußball-Liga grünes Licht für einen Einsatz geben, sondern auch der englische Verband. Das bestätigte Sportdirektor Andreas Bornemann (49) auf Abendblatt-Nachfrage. Sollten die Formalien nicht rechtzeitig geklärt werden können, würde Brodersen als Stammkeeper mit Ablaufdatum in das wohl wichtigste Spiel der noch jungen Saison gehen.
Stojanovic kommt mit wenig Spielpraxis
Am Sonnabend gegen Holstein Kiel soll dann Stojanovic, der auch schon für den FC Bologna in Italien und für den FC St. Gallen in der Schweiz aktiv war, sein Debüt geben. „Mit Dejan Stojanovic konnten wir einen Torhüter verpflichten, der über internationale Erfahrung verfügt und der dem gesamten Defensivverbund mehr Stabilität verleihen soll“, erklärte Bornemann (49), dessen Worte klarmachen, dass der neue Schlussmann kein Mann für die Bank sein wird. Über viel Spielpraxis verfügt der Neu-Hamburger aber indes nicht. In dieser Saison spielte er lediglich am 4. September im englischen Ligapokal beim 4:3-Sieg von Middlesbrough gegen den Drittligaclub Shrewsbury Town.
Die Torwart-Posse bei St. Pauli ist so oder so um einen weiteren Akt reicher. In den sozialen Netzwerken wurde von einem Fan der Hashtag „goalkeepergate“ ins Leben gerufen. Der Tenor bei den Anhängern: St. Pauli hat auf vielen Positionen massive Defizite, die geringsten aber zwischen den Pfosten. Mit Stojanovic, Brodersen (23), dem erst im Sommer mit großen Hoffnungen von Hertha BSC verpflichteten Dennis Smarsch (21), und dem langjährigen Stammkeeper Robin Himmelmann (31) stehen derzeit vier Keeper, die den Anspruch haben, Stammspieler zu sein, im Aufgebot. Dabei wird es aber nicht bleiben. Ein mögliche Variante ist, dass Himmelmann den Verein noch in dieser Transferperiode nach acht Jahren verlassen wird.
Himmelmann äußert sich auf Facebook
Zuletzt wurde der Schlussmann, der in der Sommerpause von seinen Mitspielern in den Mannschaftsrat gewählt wurde, nicht einmal in den Kader für das Spiel in Fürth (1:2) berufen. Davon soll der Führungsspieler angeblich von Torwarttrainer Mathias Hain (48) und nicht etwa von Cheftrainer Schultz erfahren haben. Am Abend äußerte sich Himmelmann über seine Facebook-Seite zu der schwierigen Situation. „Ich werde kämpfen, hart arbeiten und mich einbringen, so wie ich es seit der ersten Unterschrift hier getan habe. Will heißen (um auch damit einige Fragen und Bedenken zu klären): Ich bin topfit, kerngesund und hatte bislang nicht die Ambition, diesen Verein zu verlassen“, erklärte der Routinier, der Neuzugang Stojanovic begrüßte und noch einmal deutlich machte, was ihm der Verein bedeutet.
Es ist kein Geheimnis, dass ihm vor allem die Art und Weise, wie zuletzt mit ihm umgegangen wurde, weh getan hat. Was sein Trainer nur bedingt verstehen kann. „Die Torwartposition ist eine von elf Positionen. Ich weiß um Robins Verdienste für den Verein. Er hat sich nichts zuschulden kommen lassen. So ein Fass aufzumachen wegen einer sportlichen Entscheidung, halte ich nicht für förderlich. Da etwas hineinzudichten, finde ich nicht fair“, kritisierte Schultz die öffentliche Wahrnehmung in der T-Frage.
Schultz macht sich zusätzlich angreifbar
Mit der selbst aufgemachten Baustelle im Tor und dem darauf folgenden Eiertanz macht sich Trainer Schultz in jedem Fall zusätzlich angreifbar. Nach nur einem Sieg aus den ersten 13 Saisonspielen würde eine Niederlage beim bisher desolaten Tabellenletzten aus Würzburg auch den Arbeitsplatz des ehemaligen Profis gefährden. Von einem Endspiel um seinen Arbeitsplatz will der Trainer aber trotzdem nichts wissen. „Die Endspiele kommen auch jedes Jahr früher“, sagte Schultz süffisant und fügte trotzig hinzu: „Ich bin aber weit davon entfernt, von einem Endspiel zu sprechen. Die Jungs geben Gas, es macht mir riesig Spaß, mit ihnen zu arbeiten und ich bin überzeugt, dass wir bessere Leistungen zeigen und mehr Punkte holen werden.“
Dabei helfen soll künftig auch Offensivspieler Omar Marmoush (21), der auf Leihbasis vom VfL Wolfsburg verpflichtet wurde und einen Vertrag bis zum 30. Juni unterschrieben hat. Nach Abendblatt-Informationen soll der gelernte Mittelstürmer, der aber auch auf den Flügeln eingesetzt werden kann, bereits in Würzburg im Kader stehen. Das endgültige Aufgebot will der St.-Pauli-Coach erst am Spieltag benennen. Ganz analog, von Angesicht zu Angesicht und somit ohne Gefahr, erneut Opfer eines technischen Problems zu werden.
Würzburger Kickers: Giefer – Feltscher, Hägele, Ewerton, Feick – Toko, Dietz – Kopacz, Sontheimer – Baumann, Pieringer.
FC St. Pauli: Brodersen – Ohlsson, Dzwigala, Knoll, Buballa – Benatelli, Zalazar – Kyereh, Becker, Dittgen – Matanovic.