Magdeburg/Hamburg. Beim glücklichen 3:2 in Magdeburg beweist das Team Leidenschaft und individuelle Stärken, die auch gegen den HSV gefragt sind.

Ausschlafen und einen lockeren Nachmittagslauf durch das Niendorfer Gehege hatte St. Paulis Trainer Timo Schultz seinen Spielern für den Tag nach dem schwer und glücklich erkämpften 3:2 (2:1)-Sieg im DFB-Pokal beim 1. FC Magdeburg verordnet. „Eins, zwei Tage zum Durchpusten“ werde das Team nach diesem intensiven und denkwürdigen Spiel schon brauchen, ehe der Fokus auf das Stadtderby gegen den HSV am Freitag (18.30 Uhr) im Millerntor-Stadion gerichtet werden kann, meinte der Coach.

St. Pauli wehrt 20 Ecken Magdeburgs ab

Tatsächlich waren die 96 Minuten von Magdeburg alles andere als ein gewöhnliches Spiel. Der von Ex-HSV-Trainer Christian Titz bestens eingestellte und hochmotivierte Drittligist stellte über fast die gesamte Spielzeit die St. Paulianer vor größere Probleme, als sie in den beiden Zweitligapartien zuvor gegen Holstein Kiel (3:0) und bei Erzgebirge Aue (0:0) gehabt hatten. Nach offizieller Zählung ließen die Magdeburger 41 Torschüsse los, St. Pauli kam auf gerade einmal zehn. Auch die Bilanz von 20:3 Ecken war ebenso einseitig.

Diese Zahlen waren ein Beleg für die Schwierigkeiten, die die St. Paulianer über weite Strecken hatten, die wilden Angriffe der von 14.000 eigenen Fans verbal nach vorn gepeitschten Magdeburger zu bremsen. „Wir haben zu viele Torschüsse zugelassen und zu tief gestanden. Am Ende können wir glücklich sein, dass wir in die nächste Runde einziehen dürfen“, resümierte Schultz. Sein Kollege Titz sprach nach dem Abpfiff von einer Mischung aus „Wut, Enttäuschung und Stolz“, die er empfinde. Die beiden Treffer des ehemaligen St. Paulianers Sirlord Conteh nach Kontern waren aus seiner Sicht eine viel zu geringe Ausbeute der eigenen Dominanz.

Am Ende waren neben einer nötigen Portion Glück drei Faktoren ausschlaggebend, dass die St. Paulianer als freudestrahlende Sieger den Rasen der MDCC-Arena verlassen konnten: individuelle Stärke, Leidenschaft und Teamgeist.

St. Paulis Burgstaller eiskalt

Zum ersten Faktor gehörte, dass Sturmführer Guido Burgstaller zwei seiner drei Torabschlüsse im Magdeburger Kasten unterbrachte, wobei er schon seine erste Chance konsequent zum 1:0 nutzte. Beim 2:1 waren es der gut getimte Freistoß von Eric Smith aus dem rechten Mittelfeld und die Kopfballstärke von Innenverteidiger Jakov Medic, mit denen die Magdeburger ausgehebelt wurden. Schließlich hätte es Linksverteidiger Leart Paqarada verdient gehabt, dass sein Freistoß aus knapp 25 Metern den direkten Weg ins Netz und nicht an den Torpfosten gefunden hätte. So bedurfte es des reaktionsschnellen Einsatzes von Simon Makienok und Guido Burgstaller, um den Ball quasi in Gemeinschaftsarbeit über die Linie zu drücken.

Nicht zuletzt konnte Torwart Dennis Smarsch seine Emotionen („Ich hatte eine Gänsehaut, als ich auf den Platz kam“) in die richtigen Bahnen lenken, einige starke Paraden zeigen und sich in seiner neuen Rolle als fester Pokaltorwart als starker Rückhalt profilieren.

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Zur erwähnten Leidenschaft gehörte, dass sich vor allem in der zweiten Halbzeit praktisch alle Feldspieler an der Defensivarbeit beteiligten und diverse Torschüsse der Magdeburger im Strafraum blockten. „Wir haben uns in alles reingeworfen, was reingeflogen kam. Jeder hat sich sich für jeden reingehauen, wir sind einfach ein Team, ein geiler Haufen“, sagte Kapitän Philipp Ziereis. „Auch wenn es vielleicht nicht schön ausgesehen hat, haben wir in diesem Hexenkessel dem Druck standgehalten. Vorn waren wir eiskalt, und alle, die reingekommen sind, waren sofort im Spiel.“

So hat St. Pauli gegen den HSV gute Karten

Eine Episode, die belegt, wie ausgeprägt auch der Teamgeist ist, erzählte Freistoßschütze Paqarada. Auch Daniel-Kofi Kyereh stand in der Szene am Ball und wäre ein Kandidat gewesen. „Wir haben darüber geredet, wer schießen soll. Kofi hat dann gesagt: ,Paqa, ich habe ein gutes Gefühl bei dir.’ Es war also genau umgekehrt als sonst. Da versucht man ja meist, den anderen zu überzeugen, dass man selbst schießt. Mir hat das noch ein paar Prozentpunkte gegeben.“

Die Faktoren individuelle Klasse, Leidenschaft und Teamgeist werden auch im Derby gegen den HSV gefragt sein, um auch im fünften Vergleich in Folge unbesiegt zu bleiben. Auf jeden Fall können sich die Profis vom Millerntor den 5. September im Kalender notieren. Dann findet die Auslosung für die zweite DFB-Pokalrunde statt. Es ist seit 2016 erst das zweite Mal, dass die Kugel mit dem St.-Pauli-Logo dann noch im Lostopf dabei ist.

Die Statistik:

  • 1. FC Magdeburg: Reimann – Obermair, Tobias Müller, Bittroff, Bell Bell – Müller – Condé, Krempicki (66. Kath) – Conteh (82. Granatowski), Schuler (82. Ceka), Atik.
  • FC St. Pauli: Smarsch – Zander (90.+5 Dzwigala), Ziereis, Medic, Paqarada – Smith – Becker (46. Aremu), Benatelli (46. Lawrence) – Kyereh (89. Dittgen) – Burgstaller, Makienok (76. Buchtmann).
  • Schiedsrichter: Robert Schröder (Hannover).
  • Tore: 0:1 Burgstaller (3.), 1:1 Conteh (31.), 1:2 Medic (40.), 2:2 Conteh (54.), 2:3 Burgstaller (58.).
  • Zuschauer: 14.405.
  • Gelbe Karten: Atik, Reimann, Bittroff – Zander, Makienok, Aremu, Dittgen.
  • Statistik: Ecken: 20:3, Torschüsse: 41:10, Ballsitz: 62:38 Prozent, gewonnene Zweikämpfe: 46:54 Prozent, Fouls: 14:13.