Benidorm. Der Sportchef des Hamburger Kiezclubs ist mit dem Trainer über eine Verlängerung einig. Knoll und Ziereis abgereist. Die Hintergründe.
Die Profis des FC St. Pauli wussten am Donnerstag ihren freien Tag im Rahmen des Trainingslagers in Benidorm gut zu nutzen, auch wenn sie die weitläufige Anlage des Hotels Melia Villaitana aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen nicht verlassen durften. Schon kurz nach Sonnenaufgang etwa begab sich Mittelfeldspieler Eric Smith auf den zum Hotel gehörigen Golfplatz, später folgte Stürmer Guido Burgstaller, der seit rund zwei Monaten die Platzreife besitzt. Andere spielten mit Hingabe Tennis und Padel-Tennis.
Sportchef Andreas Bornemann (50) allerdings hatte für derlei Aktivitäten keine Muße. Vielmehr nutzte er die Zeit, um diverse Telefonate zu führen. Noch bis Ende Januar ist das Transferfenster geöffnet. Und auch wenn St. Pauli derzeit keinen dringenden Handlungsbedarf hat, so gilt es eben doch, den Spielermarkt auszuloten, um den Kader im Hinblick auf die noch 16 Ligaspiele dieser Saison zu optimieren. Das betrifft sowohl Zu- als auch Abgänge.
FC St. Pauli: Bornemann kündigt Vertragsabschluss an
Zwischendurch nahm sich Bornemann aber auch noch Zeit zu einem entspannten Gespräch mit den beiden aus Hamburg mitgereisten Reportern. Dabei kündigte Bornemann ein sehr baldiges Ende der sich wochenlang hinziehenden Verhandlungen mit Cheftrainer Timo Schultz (44) über einen neuen Vertrag an. Zuletzt hatten beide Seiten immer wieder vollmundig ihre gegenseitige Wertschätzung bekundet, doch zu einem Vollzug kam es nicht.
„Timo und ich sind sehr zuversichtlich, relativ zeitnah den letzten Schritt zu gehen“, sagte Bornemann. Die Nachfrage, was denn „zeitnah“ heiße, beantwortete er mit „viel, viel zeitnäher als zuletzt“ und brach in ein vielsagendes Lachen aus. „Das wird aber nicht mehr hier passieren“, stellte er klar. Gleichzeitig verriet er, dass die Verzögerungen zuletzt nicht am Gehalt oder an einer Ausstiegsklausel lagen: „Das Thema hatten wir schon erledigt.“
Neue Corona-Regeln ein „harter Schlag ins Kontor“
Es gehe eben um mehr, als nur ein Arbeitspapier zu verlängern. „Wir wollen gemeinsam an der Weiterführung des Projektes arbeiten. Es geht um Kaderplanung und wie sich der Verein auch infrastrukturell entwickeln soll, und wie wir es umsetzen wollen. Es hatte zuletzt die Zeit gefehlt, alle diese Dinge noch einmal in Ruhe über vier, fünf Stunden zu besprechen. Das haben wir mittlerweile erledigt“, sagte St. Paulis Sportchef. Genau für solche Gespräche sollte das Trainingslager ja auch dienen. Alles andere als ein Vollzug in der kommenden Woche wäre nach diesen Worten Bornemanns eine negative Überraschung.
Als „harten Schlag ins Kontor“ wertet Bornemann unterdessen die Verfügung der Stadt, dass nun doch keine Zuschauer mehr bei den Spielen St. Paulis zugelassen sind. „Das hat Auswirkungen auf unseren Spielraum“, sagte er in Bezug auf Verstärkungen, die die Aufstiegschance des Tabellenführers erhöhen könnten. „Gerade das Pokalspiel gegen Dortmund wäre ein Sondereffekt gewesen, der uns sehr geholfen hätte.“
„Für mich ist das nicht zu Ende gedacht"
Bornemann teilt die von Präsident Oke Göttlich am Senat in diesem Zusammenhang geübte Kritik. „Für mich ist das nicht zu Ende gedacht, erscheint willkürlich und nicht plausibel“, sagte er zum Zuschauerausschluss, der nur für den Profisport gilt. „Es bringt mich auf die Palme, dass es so scheint, es habe aus zwei Jahren Pandemie keine Erkenntnisse gegeben.“
Ein Transferstopp sei allerdings vonseiten der Vereinsführung trotz der zusätzlichen Einnahmeausfälle nicht verfügt worden. Sehr helfen könnte es dennoch, wenn die Ausgabenseite entlastet und etwa Defensivspieler Marvin Knoll, der seit nunmehr einem Jahr nur 28 Minuten gespielt hat, nicht mehr auf der Gehaltsliste stände. „Es sind intensive Aktivitäten am Laufen. Ich glaube schon, dass es für ihn eine passende Möglichkeit geben wird. Das wäre auch für ihn die beste Lösung“, sagte Sportchef Bornemann.
Zu dieser Aussage passt, dass der 31 Jahre alte Knoll nach Informationen des Abendblatts bereits am Donnerstagmorgen zurück nach Hamburg geflogen ist – laut „Bild“-Zeitung steht er vor einem Wechsel zum Drittligaclub MSV Duisburg.
Größerer Kader wegen Corona sinnvoll
Mehr Abgänge sind nicht vorgesehen. Gerade wegen der Ungewissheit, ob und wie lange in nächster Zeit Spieler wegen positiver Corona-Tests oder auch nur als Kontaktperson in Quarantäne müssen, sei ein etwas größerer Kader als ursprünglich mal vorgesehen durchaus sinnvoll, um erfolgreich zu sein und möglichst lange die Tabellenführung zu verteidigen. In der Favoritenrolle für den Aufstieg sieht er dennoch die nominell großen drei Teams.
„Bremen, Schalke und der HSV haben vielleicht schlechtere Möglichkeiten als in den Jahren zuvor, aber immer noch bessere als das Gros dieser Liga“, sagte Bornemann und gab für sein Team die Devise aus: „Wir müssen mindestens so gut oder sogar besser sein, wenn wir diese Position behaupten wollen. Also müssen wir anständig arbeiten.“ Vor allem dürfe das Team jetzt nur das Heimspiel gegen Erzgebirge Aue am 15. Januar im Fokus haben und noch nicht einmal den Pokal-Knüller drei Tage später gegen Dortmund.
FC St. Pauli: Philipp Ziereis abgereist
Am meisten drohe ohnehin aus dem Umfeld Gefahr für den Erfolg. „Wenn schon irgendwo die Aufstiegsfeierlichkeiten vorbereitet, ein Balkon reserviert, Busse beklebt werden und die T-Shirts beim Zeugwart ankommen, dann geht es auf jeden Fall schief“, sagte Bornemann.
Ebenfalls am Donnerstag abgereist ist Kapitän Philipp Ziereis (28), wie das Abendblatt erfuhr. Seine Frau Sarah erwartet in diesen Tagen ihr erstes Kind.
Am Sonnabend wird der FC St. Pauli sein Testspiel jetzt gegen den belgischen Erstligisten Beerschot V.A. bestreiten. Der Tabellenletzte der Jupiler Pro League ersetzt den als Gegner vorgesehenen KRC Genk, der sein Trainingslager abgesagt hatte. Es sind keine Zuschauer zugelassen.