Hamburg. Der FC St. Pauli hat schon die Stadtmeisterschaft und Tabellenführung eingebüßt. Jetzt droht der Absturz auf Platz fünf.

Auch an diesem Montag haben die Fußballprofis des FC St. Pauli noch einmal Gelegenheit auszuspannen, nachdem sie schon das trainingsfreie Wochenende mehr oder weniger genießen konnten. Dabei bezieht sich das „weniger“ natürlich auf die Gemütslage nach der 1:2-Niederlage im Stadtderby beim HSV am Freitagabend. „Die Jungs sollen jetzt drei Tage den Kopf frei bekommen“, hatte Trainer Timo Schultz seinen Spielern mit auf den Weg gegeben.

Die Stimmung erhielt einen Tag später noch mehr Dämpfer, weil die weiteren Aufstiegskonkurrenten Darmstadt 98 (2:0 in Ingolstadt), Werder Bremen (4:3 in Paderborn) und Schalke 04 (5:0 in Aue) durch die Bank ihre Auswärtsspiele gewannen und so die Situation an der Tabellenspitze der Zweiten Liga recht deutlich veränderten.

St. Pauli droht Absturz auf Rang fünf

Auf einen Schlag hat der FC St. Pauli sowohl den zwar inoffiziellen, aber selbst immer so gern betonten Titel des Hamburger Stadtmeisters als auch die Tabellenführung eingebüßt. Hatten zuletzt Trainer Schultz und Sportchef An­dreas Bornemann unisono immer wieder betont, das Team habe trotz der mit zum großen Teil begeisterndem Fußball errungenen Herbstmeisterschaft doch auch weiterhin gar nichts zu verlieren, so ist jetzt festzustellen, dass schon eine Woche nach dem Ende der Winterpause faktisch einiges verloren gegangen ist – namentlich das prestigeträchtige Stadtderby und eben der erste Tabellenplatz.

Und schon droht das nächste Ungemach: Nach dem nächsten Spieltag Anfang Fe­bruar könnte das Team bei einer Niederlage gegen den auswärts noch ungeschlagenen SC Paderborn gar auf Platz fünf abstürzen.

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Das alles ist das Resultat einer Entwicklung, die schon vor der Winterpause ihren Anfang genommen hat – genauer gesagt nach dem berauschenden 2:1-Sieg gegen den FC Schalke 04 an einem späten Sonnabendabend Anfang Dezember. Seither erlebt das Team eine Durststrecke und kam nur bei der aktuell noch formschwächeren Fortuna aus Düsseldorf (1:1) und im Heimspiel gegen den Vorletzten Erzgebirge Aue (2.2) zu Unentschieden. In den Derbys bei Holstein Kiel (0:3) und eben jetzt beim HSV (1:2) setzte es jeweils schmerzhafte Niederlagen.

Warum St. Pauli aktuell schwächelt

Es ist offenkundig, dass die Mannschaft des FC St. Pauli, seit sie als bestes Team der Hinserie feststand, Probleme hat, mit der logischerweise daraus resultierenden Favoritenrolle umzugehen. Da waren die Parolen von Trainer Schultz und Sportchef Bornemann, die Clubs mit den großen Namen wie Schalke, Werder und der HSV seien noch immer viel größere Favoriten, verständlich, aber eben auch durchschaubar. Dass gerade diese drei Clubs jetzt St. Pauli so sehr auf die Pelle gerückt sind, liegt vor allem daran, dass die Millerntor-Elf selbst aufgehört hat, ihre Spiele zu gewinnen.

Angesprochen auf diese bisher schwächste Saisonphase sagte Trainer Schultz zunächst: „Ich habe gerade noch einmal in der Kicker-App nachgeschaut. Uns sind auch in diesen vier Partien keine Punkte abgezogen worden, es sind zwei dazugekommen.“ Ob man diesen Satz nun als augenzwinkernd oder als trotzig bewerten mag, sei dahingestellt. Fest steht, dass ein halber Punkt pro Spiel auf Dauer selbst für den Klassenerhalt zu wenig ist. Erst recht jedoch, wenn man um den Aufstieg mitspielen will. Das weiß Schultz natürlich auch.

Später sagte er denn auch sachlicher: „Eine Saison besteht aus 34 Spielen. Da gehört auch mal eine Phase dazu, in der man mal ein paar Spiele hinter­einander nicht dreifach punktet. Diese Phase wollen wir so kurz wie möglich halten. Jetzt müssen wir uns ein bisschen sammeln und gucken, wo wir die richtigen Schlüsse ziehen.“

St. Pauli braucht jetzt Rückkehrer Kyereh

Dazu bietet jetzt die für diesen frühen Zeitpunkt ungewöhnliche Pause bis Anfang Februar Gelegenheit. „Es ist tatsächlich ganz gut, dass wir jetzt eine Pause haben“, gab Schultz zu, der sonst in aller Regel Länderspielpausen als ungeliebte Unterbrechung des Ligarhythmus betrachtet. Der Vorteil ist jetzt, dass es keine Länderspiele für europäische Teams gibt. „Bei uns wird nur Jackson
Irvine fehlen“, sagte der Coach. Der Mittelfeldspieler wird für Australien in der WM-Qualifikation aktiv sein.

Dagegen wird Offensivspieler Daniel-Kofi Kyereh nach seiner Rückkehr vom Afrika-Cup wieder im Teamtraining dabei sein. „Er war tierisch platt nach der Reise“, begründete Schultz, warum er den besten Torvorbereiter seines Teams (9) gegen den HSV nicht einmal als Joker auf der Bank hatte. Wie sehr Kyereh dem Offensivspiel St. Paulis fehlt, war im Derby und auch schon zuvor gegen Aue deutlich geworden.

Es wird dem Nationalspieler Ghanas guttun, in dem für diesen Freitag um 14 Uhr angesetzten Testspiel beim Ligakonkurrenten Holstein Kiel wieder ins St.-Pauli-Team integriert zu werden, bevor es gut eine Woche später in der Liga gegen Paderborn darum geht, den neunten Heimsieg der Saison einzufahren.

Warum St. Pauli sogar Mut aus dem Derby schöpft

Denn klar ist auch, dass sich die aktuelle Negativspirale nicht zwangsläufig in den kommenden Wochen fortsetzen wird. Als Mutmacher kann sogar die Schlussphase im Stadtderby herhalten, als St. Pauli angesichts des Rückstandes und der drohenden Niederlage seine beste Phase im gesamten Spiel hatte. „Man hat nach dem 1:2 gesehen, dass wir mutiger wurden. Da ist die Last abgefallen und wir sind lockerer geworden. Da haben wir auf einmal angefangen, Fußball zu spielen“, hatte auch Schultz in der Nachbetrachtung erkannt.

Womöglich hat ja nun auch der Verlust der seit dem neunten Spieltag gehaltenen Tabellenführung eine ähnlich befreiende Wirkung. Schließlich haben vor knapp einer Woche beim Pokalerfolg über Borussia Dortmund alle gesehen, wozu das Team in der Lage ist, wenn die Erwartungen niedrig sind.