Hamburg. Der Hamburger Kiezclub ließ sich beim 2:2 gegen Paderborn von Führungstoren verunsichern. Das Vertrauen in die eigene Stärke fehlt.

Kein Lauf und auch keine Radtour im Niendorfer Gehege – angesichts des Dauerregens, des matschigen Bodens und riesiger Pfützen durften die Stammspieler des FC St. Pauli am Sonntagmittag ihr Regenerationstraining im trockenen Kraftraum des Trainingszen­trums an der Kollaustraße absolvieren. Nur die Ersatzspieler mussten am Tag nach dem enttäuschenden 2:2 (2:1) im Heimspiel gegen den SC Paderborn auf den Kunstrasenplatz für eine intensive Einheit und wurden dabei kräftig nass.

Nach einem trainingsfreien Montag wird es in den kommenden Tagen darum gehen, die Mannschaft nach nun fünf sieglosen Ligaspielen in Folge vor allem mental für das gute letzte Drittel der Saison in die richtige Verfassung zu bringen. Schon kurz nach dem Spiel am späten Sonnabendabend hatte Trainer Timo Schultz vor der Sky-Kamera einen bemerkenswerten und tiefgründigen Satz gesagt: „Uns ist ein wenig die Leichtigkeit abhanden gekommen.“ Damit gab er erfrischend ehrlich den Eindruck wieder, den auch die 6012 Zuschauenden im Stadion und die TV-Konsumenten bei Sky und Sport 1 gewinnen mussten.

FC St. Pauli: Paderborn beeindruckt von „Wucht“

Die St.-Pauli-Mannschaft hatte ihre besten Phasen, wenn sie nicht in Führung lag, also in den ersten Minuten nach Anpfiff, den letzten knapp zehn Minuten vor der Pause und auch noch in der Schlussphase, als sich beide Teams nicht mit dem 2:2 zufriedengaben.

Die St.-Pauli-Profis Jakov Medic (l.) und Jackson Irvine schlagen nach dem Abpfiff des Spiels gegen Paderborn die Hände vor ihr Gesicht.
Die St.-Pauli-Profis Jakov Medic (l.) und Jackson Irvine schlagen nach dem Abpfiff des Spiels gegen Paderborn die Hände vor ihr Gesicht. © Getty Images | Joern Pollex

Die gute Nachricht nach dem fünften sieglosen Ligaspiel in Folge ist also, dass im Team die grundsätzlichen Fähigkeiten, mit denen es sich im vergangenen Herbst an die Tabellenspitze der Zweiten Liga katapultiert und vorzeitig zur inoffiziellen Herbstmeisterschaft geschossen hatte, durchaus noch vorhanden sind. So gab denn auch Paderborns Trainer Lukas Kwasniok offen zu, dass seine Spieler in der Anfangsphase trotz akribischer Vorbereitung auf die Stärken des Gegners von der „Wucht“ des St.-Pauli-Teams beeindruckt waren.

Spieler haben die Angst im Nacken

Dass aber jetzt gleich zweimal eine Führung im eigenen Stadion dazu führte, dass die Mannschaft fast kollektiv in eine Verunsicherung taumelte, dem Gegner immer wieder den Ball durch Fehlpässe und verlorene Zweikämpfe schenkte und völlig logisch zweimal den Ausgleich kassierte, muss zu denken geben. Mit arroganter Leichtfertigkeit hat dies nichts zu tun, dafür sind die Spieler charakterlich anders gestrickt. Ganz offensichtlich spielt nach den Negativerlebnissen der vergangenen Wochen eher die Angst eine Rolle, die Führung im Spiel wieder zu verlieren und insgesamt die Aufstiegschancen aus den Händen gleiten zu lassen.

In der Hinrunde hatte dies gerade im heimischen Millerntor-Stadion noch ganz anders ausgesehen. Da wurden die gegnerischen Mannschaften auch nach der 1:0-Führung weiter in die Defensive gedrängt und manchmal förmlich überrollt. Bei allen acht Heimsiegen, aber auch den drei Auswärtssiegen lag St. Pauli zumindest zwischenzeitlich mit zwei Toren Differenz in Führung. Jetzt wurde durch fahriges Spiel zweimal praktisch um den Ausgleich gebettelt.

FC St. Pauli ist körperlich fit

„Wir müssen uns die Siege im Training wieder erarbeiten“, sagte Schultz jetzt im Hinblick auf die nächsten Aufgaben am Sonnabend (20.30 Uhr) bei Jahn Regensburg und danach zu Hause gegen Hannover 96. Auf Nachfrage präzisierte er, dass diese Aussage keine Kritik am Trainingseifer seiner Spieler sei. Körperlich fit ist sein Team zudem, wie der Topwert von 125,94 abgespulten Kilometern während der gut 90 Minuten gegen Paderborn (121,59) unter Beweis stellte.

„Um unser Selbstbewusstsein muss man sich keine Sorgen machen“, hatte Schultz noch nach der 1:2-Niederlage im Stadtderby beim HSV – ebenfalls nach einer 1:0-Führung – zwei Wochen zuvor gesagt. Doch genau dies schien jetzt gegen Paderborn über weite Strecken des Spiels angeknackst zu sein. Mit der Rolle des Führenden und damit von der Konkurrenz Gejagten hat das St.-Pauli-Ensemble trotz aller Dementi ganz offenbar Probleme – ganz grundsätzlich, aber auch während eines Spiels, wie der Verlauf des Matches gegen Paderborn zeigte.

FC St. Pauli: „Wir sind etwas passiver geworden"

„Wir sind etwas passiver geworden, haben mehr Fehler auf dem Weg nach vorne gemacht“, beschrieb Außenverteidiger Leart Paqarada das Manko. „Trotzdem haben wir die eine oder andere Möglichkeit, um den Deckel draufzumachen. Wir müssen uns im Training erarbeiten, dass die Kaltschnäuzigkeit wieder zurückkommt“, sagte er weiter.

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Denn trotz des nun von sieben Punkten auf ein einziges Tor geschmolzenen Vorsprungs auf Platz drei hat St. Pauli noch immer alle Möglichkeiten, bis zum Saisonende um den Aufstieg mitzuspielen. Dafür müssen die mentale Leichtigkeit der Hinrunde und das Vertrauen in die eigene Stärke über jeweils 90 Minuten wiederbelebt werden.

FC St. Pauli: Vasilj – Zander (88. Dzwigala), Ziereis, Medic, Paqarada – Smith (88. Benatelli) – Irvine, Hartel (88. Daschner) – Amenyido (63. Becker) – Burgstaller, Dittgen (73. Makienok).

SC Paderborn: Huth – Schuster (46. Thalhammer), Correia (35. van der Werff), Hünemeier, Justvan – Yalcin, Schallenberg – Srbeny (79. Platte), Muslija (79. Stiepermann), Klement – Heuer (65. Pröger).Schiedsrichter: Aytekin (Oberasbach).Tore: 1:0 Dittgen (5.), 1:1 Srbeny (37.), 2:1 Amenyido (44.), 2:2 Stiepermann (84.). Zuschauende: 6012. Gelbe Karten: Smith (4) – Thalhammer (2). Statistik: Torschüsse: 7:14, Ecken: 2:4, Ballbesitz: 45:55 Prozent, Zweikämpfe: 89:93, Laufleistung: 125,94:121,59 km.