Nürnberg. Zum zweiten Mal führt das Trainerduo St. Pauli in Abwesenheit des Chefs Timo Schultz zu einem Auswärtssieg. Die Reaktionen.
Kaum hatte Schiedsrichter Sven Waschitzki abgepfiffen, schallte es aus dem Gästeblock des mit nur 8479 Zuschauern – 12.500 waren erlaubt – besetzten Max-Morlock-Stadions: „Spitzenreiter, Spitzenreiter!“. Die rund 650 St.-Pauli-Fans feierten so den 3:2 (2:0)-Auswärtssieg ihres Teams beim 1. FC Nürnberg, der allein deshalb ein ganz besonderer war, weil sich tags zuvor Cheftrainer Timo Schultz nach einem positiven PCR-Test auf das Coronavirus in häusliche Quarantäne hatte begeben müssen. So waren nun die Co-Trainer Loic Favé und Fabian Hürzeler verantwortlich und brachten prompt drei Punkte mit.
Bereits seit Donnerstag hatte Schultz leichte Erkältungssymptome gehabt und darauf verzichtet, an diesem Tag und am Freitag das Training zu leiten. Die an diesen Tagen vorgenommenen Tests hatten allerdings noch negative Befunde hervorgebracht, wie der Verein am Sonnabendabend mitteilte. Seit Donnerstag habe es aber keinen direkten Kontakt von Schultz zur Mannschaft und zum Betreuerstab mehr gegeben.
St. Pauli: Weder Favé noch Hürzeler kehren den Chef raus
65 Minuten vor dem Anpfiff kam St. Paulis Co-Trainer-Duo auf den Rasen des Max-Morlock-Stadions. In schöner Gemeinschaftsarbeit stellten die beiden wie üblich die kleinen gelben und roten Hütchen auf, die für das Aufwärmprogramm der Mannschaft benötigt wurden. Business as usual also für die beiden
28-Jährigen, keiner kehrte den Chef raus.
Loic Favé übernahm offiziell die Rolle des Vertreters und setzte (gemeinsam mit Timo Schultz) im Angriff neben Guido Burgstaller auf den noch 18 Jahre jungen Igor Matanovic, der am Mittwoch im Nachholspiel gegen Sandhausen (3:1) nach seiner Einwechslung einige gute Szenen im Strafraum gehabt hatte.
Schon St. Paulis zweiter Sieg ohne Schultz
„Es ist alles vorbesprochen. Die beiden Co-Trainer genießen das Vertrauen, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen. Es geht um ein oder maximal zwei Spiele. Dafür sind Co-Trainer auch da, um solch eine Lücke kurzfristig mal zu schließen“, sagte Sportchef Andreas Bornemann. Vorhergesehen, dass St. Pauli schon nach zehn Minuten mit 2:0 vorn liegen würde, hatten aber wohl alle nicht. Am Ende zeigte das hart erkämpfte 3:2, dass es auch ohne Schultz geht.
„Loic und Fabi haben es überragend gemacht, wie sie uns eingestellt haben“, lobte später auch Mittelfeldspieler Marcel Hartel. „Für mich war es das erste Mal, so eine Situation zu erleben.“ Kapitän Philipp Ziereis stimmte ein und erinnerte daran, dass auch beim Auswärtssieg beim 1. FC Heidenheim in der vergangenen Saison (4:3) Favé und Hürzeler das Kommando hatten, während Schultz von einem Nierenstein geplagt im Hintergrund auf der Bank saß. Nur jetzt war er eben gar nicht dabei.
Vasilj hält lässige St. Paulianer im Spiel
Auf dem Platz fand kurz nach Anpfiff Guido Burgstallers Kopfballverlängerung nach einer Flanke von Leart Paqarada ebenso den Weg rechts unten ins Nürnberger Tor (3.) wie Paqaradas gezielter Flachschuss nach Vorlage von Burgstaller (10.).
Diese anscheinend sichere Führung verleitete die St. Paulianer dazu, die Defensivarbeit etwas lässiger anzugehen und so auch Torwart Nikola Vasilj ins Spiel zu bringen, der sich bei den Chancen von Tim Handwerker, Manuel Schäffler und zweimal Eric Shuranov mit Paraden auszeichnete. Als allerdings Nürnbergs Mittelfeldstratege Johannes Geis aus rund 22 Metern zum 1:2 (21.) traf, war auch er machtlos.
Fave bleibt ruhig, Hürzeler steht
Das 3:1 durch den eingewechselten Adam Dzwigala (64.) sorgte wieder für etwas Beruhigung. „Das Tor fiel zur richtigen Zeit“, sagte Favé später. Allerdings durften die Nürnberger nach dem Kopfballtor von Manuel Schäffler zum 2:3 (72.) noch einmal Hoffnung schöpfen, doch St. Pauli verstand es danach, den knappen Vorsprung clever zu verteidigen und somit Platz eins zu behaupten.
Während Loic Favé sogar in der Schlussphase das Geschehen fast ausschließlich sitzend und scheinbar ruhig von seinem Stuhl vor der Ersatzbank verfolgte, stand Fabian Hürzeler fast immer und gab Anweisungen. „Wir ergänzen uns da gut. Seit ich bei St. Pauli bin, habe ich mir angewöhnt, beim Spiel ruhiger zu sein als vorher beim ETV. So bin ich nicht so emotional und kann mit etwas Abstand Entscheidungen treffen“, sagte Favé.
Am Sonntag jedenfalls die richtigen. TV-Sender Sky errechnete eine Aufstiegswahrscheinlichkeit von 77 Prozent, da es in der Vergangenheit 30 von 39 Tabellenführern nach 15 Spieltagen gelang, in den Aufstiegsrängen zu bleiben.