Hamburg. Ärger über Polizeitaktik gegen Fans des Kiezclubs, die dadurch möglicherweise zur Zielscheibe für einige Hansa-Chaoten wurden.
Der Blick nach Bremen und zum 1:1 des SV Werder gegen den abstiegsgefährdeten SV Sandhausen brachte den Spielern und dem Trainerteam des FC St. Pauli am Sonntag, knapp einen Tag nach der eigenen 0:1-Niederlage beim FC Hansa Rostock, eine wichtige Erkenntnis: Der neue Tabellenführer, der am kommenden Sonnabend (13.30 Uhr) zum Spitzenspiel der Zweiten Liga am Millerntor gastiert, ist ebenfalls verwundbar, wenn der Gegner eine entsprechend engagierte Leistung zeigt.
Ähnlich war es am Sonnabendabend den St. Paulianern ergangen, als sie mit einer ihrer schwächsten Saisonleistungen die Tabellenführung einbüßten. Es war daher auch ein ernüchterndes Fazit, das Trainer Timo Schultz nach der Niederlage im Ostseestadion zog. „Die Rostocker haben uns unter Druck gesetzt und zu Fehlern gezwungen, die wir sonst nicht machen. Dazu hatten wir zu wenige Chancen. Und die Chancen, die wir hatten, haben wir nicht gut genug genutzt“, fasste er das Geschehen aus St.-Pauli-Sicht treffend zusammen.
Schultz stellte auf Dreierkette um
Dazu passte, dass das Siegtor von Nico Neidhart (59.) für den FC Hansa nicht etwa einer hübsch herausgespielten Aktion entsprang, sondern mehr dem willensstarken Einsatz mehrerer Rostocker. So drückte der Torschütze den durch den Strafraum rauschenden Ball liegend und aus spitzem Winkel ins Netz.
Trainer Schultz hatte zur zweiten Hälfte auf eine Dreier-Abwehrkette umgestellt, um gegen die tiefen Läufe der Rostocker Offensivspieler besser gewappnet zu sein. „Das ist zwar aufgegangen, aber wir haben es danach überhaupt nicht mehr geschafft, für Entlastung zu sorgen“, sagte er. Nach dem Gegentor beendete er diese Variante folgerichtig wieder.
Schultz spricht von "Mannschaftsproblem“
Auffällig war, dass diesmal St. Paulis Topscorer Daniel-Kofi Kyereh praktisch kein Faktor war und deshalb auch die bemühten Stürmer Guido Burgstaller und Simon Makienok weit weniger als sonst zum Zuge kamen. „Allgemein haben wir uns schwergetan, in der Offensive Akzente zu setzen. Ich will da keinen rausnehmen. Es war eher ein Mannschaftsproblem“, sagte Schultz und nahm Kyereh in Schutz.
Der 26-Jährige war erst am Donnerstag nach der erfolgreichen WM-Qualifikation mit Ghana nach Hamburg zurückgekehrt. Seine fehlende Frische war also nachvollziehbar.
Der Pyro-Eklat von Rostock
Auch diesmal gehörten zum Nordduell zwischen Rostock und St. Pauli Feindseligkeiten der Fangruppen beider Clubs. „Dass es im gesamten Einsatzverlauf zu keinem direkten Aufeinandertreffen der rivalisierenden Fangruppierungen kam, ist Ergebnis des konsequenten Polizeieinsatzes“, ließen sich die Polizeiführer Achim Segebarth und Ralf Scheiner in einer Mitteilung zitieren.
Diese offizielle Darstellung der Rostocker Polizei ließ allerdings gravierende Fehlleistungen in der gesamten Planung und Durchführung der An- und Abreise unerwähnt. Diverse betroffene St.-Pauli-Fans berichteten noch in der Nacht und am Sonntag glaubhaft, dass sie nach Spielschluss und nach dem erwünscht zügigen Verlassen des Gästeblocks unmittelbar am Stadion in einem eingezäunten Bereich dicht an dicht stehend festgehalten wurden, weil die für sie vorgesehenen und ohnehin zu wenigen Shuttlebusse noch nicht zur Verfügung standen.
Rostock-Anhänger nutzten die Situation, um Feuerwerkskörper in diesen Menschenpulk zu werfen, ohne dass die Polizei sie zunächst daran hinderte. Dem Wunsch, ein Tor zu öffnen, um diesen Angriffen entfliehen zu können, wurde hingegen nicht entsprochen. Als auch St.-Pauli-Anhänger Gegenstände zurückwarfen, setzte die Polizei Wasserwerfer gegen beide Gruppen ein – und das bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Unter den eingekesselten St.-Pauli-Fans gab es mehrere Verletzte.
Pyro bereits in der Pause geworfen
„Es ist gestern zu besorgniserregenden Vorfällen in der Halbzeit und nach dem Abpfiff gegen unsere Fanszene gekommen. Wir sind in der Aufarbeitung der Geschehnisse in Absprache mit dem Fanladen und sammeln aktuell alle Fakten“, hieß es am Sonntag in einer ersten Stellungnahme des FC St. Pauli.
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Bereits in der Pause waren im Umlauf des Stadions hinter den Fanblöcken beider Clubs Feuerwerkskörper geworfen worden. Zudem war eine Leuchtrakete von hinten knapp neben den St.-Pauli-Fanblock in die unbesetzte Pufferzone geflogen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit brannten Hamburger Anhänger in ihrem Block Bengalos ab. Das erste Match St. Paulis in Rostock seit knapp elf Jahren wird auf jeden Fall noch ein Nachspiel haben.
Geht St. Pauli Hansa-Duellen aus dem Weg?
Ein erneutes Aufeinandertreffen in der kommenden Saison können jetzt nur die Spieler des „Stadtteilclubs“, wie der Rostocker Stadionsprecher konsequent sagte, verhindern, indem sie in die Bundesliga aufsteigen. Denn der FC Hansa hat mit dem Sieg am Sonnabend einen vorentscheidenden Schritt für den Klassenverbleib in der Zweiten Liga getan. Die noch anstehenden Heimspiele gegen Bremen und den Tabellenzweiten Darmstadt ermöglichen es den St. Paulianern immer noch, den Aufstieg aus eigener Kraft zu realisieren.