Hamburg. Nach Absage des Masters in Madrid könnte das Tennisturnier im September vor die French Open rücken.
Auch wenn das Wetter nicht immer mitspielte: Seine besten Zeiten erlebte das Herrentennisturnier in Hamburg, als es im Mai gespielt wurde. Der Termin vor den French Open – dem einzigen der vier Grand-Slam-Turniere, das auf Sandplatz ausgetragen wird – war optimal, um alle Großen der Branche zur Vorbereitung auf die rote Asche am Rothenbaum zu locken. Der Mastersstatus inklusive Startpflicht für alle Topspieler, der Hamburg im Jahr 2008 von der Herrentennisorganisation ATP mit großem, von einem jahrelangen Rechtsstreit begleiteten Getöse aberkannt wurde, tat sein Übriges.
Ausgerechnet die Corona-Pandemie könnte nun, zwölfeinhalb Jahre nach dem bislang letzten Mastersfinale zwischen den Superstars Roger Federer (38/Schweiz) und Rafael Nadal (34/Spanien), für eine Art Neuauflage dieser Konstellation sorgen. Am Dienstagabend hatten die Veranstalter des Mastersevents in Madrid das vom 14. bis 20. September geplante, kombinierte Damen- und Herrenturnier aufgrund der steigenden Zahl an Corona-Fällen in Spaniens Hauptstadt abgesagt. Der Plan der ATP, vor den vom Frühsommer auf 27. September bis 11. Oktober verlegten French Open eine adäquate Sandplatz-Kurzsaison anzubieten, ist damit passé. Aktuell steht nur das Masters in Italiens Hauptstadt Rom (20. bis 27. September) im Plan.
ATP steht mit allen Veranstaltern in Kontakt
Und an dieser Stelle kommt Hamburg ins Spiel, das sein Turnier der 500er-Kategorie (dritthöchste nach Grand Slam und Masters, 500 Weltranglistenpunkte für den Sieger) ursprünglich zum seit 2009 angestammten Termin Mitte Juli hätte austragen sollen. Turnierdirektorin Sandra Reichel (49) sagte dem Abendblatt: „Durch die Absage von Madrid hat sich ein Fenster ergeben. Im Moment ist alles in Bewegung. Wir sind mit der ATP in Gesprächen, ein September-Termin ist auf jeden Fall eine Option für uns.“ Eine weitere Option bleibt ein Termin nach Paris Mitte Oktober, allerdings eher theoretisch, denn Sandra Reichel fürchtet das Hamburger Herbstwetter.
Die ATP bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, mit allen Veranstaltern, für die eine Ausrichtung eines Turniers noch in diesem Jahr infrage komme, in Kontakt zu stehen. „Wir loten alle Möglichkeiten aus und schauen, wie es für Veranstalter und die Tour am besten passen kann. Die Sicherheit aller Teilnehmer steht im Vordergrund“, sagte ein ATP-Sprecher. Eine Alternative ist, Rom eine Woche vorzuziehen und den Madrid-Ersatz direkt vor Paris zu platzieren.
Stadt will keinerlei Risiko eingehen
Fraglos könnte der Termin vor den French Open dafür sorgen, dass sich Topspieler, die normalerweise Hamburg im Juli zwischen der Rasensaison und der US-Hartplatztour nicht auf dem Zettel haben, für den Rothenbaum entscheiden. Nadal, der seinen Start bei den trotz der hohen Corona-Zahlen weiterhin vom 31. August bis 13. September geplanten US Open abgesagt hat, aber für Madrid gemeldet hatte, wäre ein möglicher Kandidat. Ebenso der gebürtige Hamburger Alexander Zverev (23), der bereits im vergangenen Jahr überraschend angetreten war. Federer dagegen ist verletzt und wird erst 2021 wieder spielen. Der Weltranglistenerste Novak Djokovic (33/Serbien) gilt in New York als Topfavorit und dürfte anschließend pausieren.
Sandra Reichel, die sich die Organisation mit ihrem Vater Peter-Michael Reichel teilt, sei in den vergangenen Wochen im regen Austausch mit dem Sportamt gewesen, sagte Sportstaatsrat Christoph Holstein dem Abendblatt. „Die Bereitschaft, das Turnier nicht ausfallen zu lassen, sondern in die zweite Jahreshälfte zu verschieben, haben die Reichels immer signalisiert. Wir würden es begrüßen, wenn das Turnier im Herbst stattfinden würde“, sagte Holstein. Allerdings stellte er auch klar, dass die Stadt keinerlei Risiko eingehen werde, was die Zulassung von Zuschauern angeht.
„Die Veranstaltung muss zur zurückhaltenden Hamburger Corona-Linie passen. Wir sind weiterhin sehr vorsichtig“, sagte Holstein. Bis mindestens 31. August gelte für Veranstaltungen im öffentlichen Rahmen die Obergrenze von 1000 Zuschauern. „Wir raten dringend, bei der Planung des Turniers vom jetzigen Zustand auszugehen“, sagte Holstein. Die Frage, unter welchen Umständen die Durchführung des Turniers auch wirtschaftlich vernünftig ist, könnten die Veranstalter nur selbst beantworten. Eine Erhöhung des städtischen Finanzierungsbeitrags von 500.000 Euro sei schwer vorstellbar.
„Ohne Fans zu spielen ist finanziell nicht darstellbar“
Sandra Reichel und ihr Team müssen nun prüfen, ob sie ihr Turnier in diesem Jahr angesichts der Zuschauerbeschränkung kostendeckend durchführen könnten, oder ob es sich gegebenenfalls sogar lohnen würde, ein erneutes Defizit – in ihrem Premierenjahr 2019 waren es mehrere Hunderttausend Euro – in Kauf zu nehmen, um dadurch Sponsoren zu binden und ein Zeichen des Durchhaltewillens zu senden.
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„Wir kalkulieren alle Optionen durch. Ohne Fans zu spielen ist finanziell nicht darstellbar, selbst bei 1000 Zuschauern wird es sehr eng. Wir müssen mit unseren Partnern besprechen, welche Option für uns alle die beste ist“, sagte die Turnierchefin. Bis spätestens Anfang nächster Woche müsse eine Entscheidung getroffen sein, um eine professionelle Durchführung im September garantieren zu können.
Eine Frage können weder das beste Hygienekonzept noch der optimale Termin beantworten: die, ob das Wetter mitspielt. Aber das hat in Hamburg noch nie jemanden ernsthaft gestört.