Hamburg. Die French-Open-Sieger Krawietz/Mies und das Duo Struff/Pütz konkurrieren um den Platz in der Daviscup-Endrunde.
Ist ein Problem leichter zu lösen, wenn es als Luxusproblem bezeichnet wird? Michael Kohlmann überlegt eine Weile, ob er sich für die „Glas halb voll“- oder „Glas halb leer“-Antwort entscheiden soll. Dann sagt er: „Wenn in Madrid alles gut geht und wir das Finale erreichen, dann war es ein Luxus. Wenn es nicht klappt, dann habe ich ein Problem. Insofern müssen wir abwarten.“ Eine diplomatische Einlassung ist das, und weil der deutsche Daviscup-Teamchef für seine Gelassenheit im Umgang mit viel diskutierten Themen bekannt ist, überrascht sie nicht. Dennoch weiß der 45-Jährige, dass sie auf ihn wartet, die Qual der Wahl, auf wen er bei der Daviscup-Finalrunde in Madrid (18. bis 24. November) im Doppel setzen soll. Und darauf bereitet er sich akribisch vor.
Als Kevin Krawietz und Andreas Mies am 8. Juni bei den French Open in Paris das Doppelfinale gegen die Franzosen Jeremy Chardy und Fabrice Martin mit 6:2 und 7:6 (7:3) gewannen, lösten sie eine neue Euphorie um das im Tennis oft kaum beachtete Paar-Spiel aus. Erstmals seit 82 Jahren (Gottfried von Cramm und Henner Henkel bei den US Open) stand wieder ein deutsches Duo bei einem Grand-Slam-Turnier in der Siegerliste. Der Coburger Krawietz (27) und der Kölner Mies (28) wurden durch alle Medien gereicht, und weil sie nicht nur sportlich erfolgreich sind, sondern auch eloquent und humorvoll auf ihren Sport schauen, war die Resonanz groß.
Neustart am Rothenbaum
„Es ist Wahnsinn, was in den vergangenen Wochen passiert ist und welche Türen sich für uns geöffnet haben“, sagte Mies dieser Tage bei einem Medientermin an der Außenalster. Beim ATP-Turnier am Rothenbaum wollen er und Krawietz die Rückkehr in den Sand zu einer Art Neustart nutzen, nachdem sie seit Paris in der Rasensaison kein einziges Match gewinnen konnten. Im Achtelfinale am Mittwoch gelang dies gegen die tschechisch-niederländische Kombination Roman Jebavy/Matwe Middelkoop mit einem 7:5, 6:7 (9:11), 12:10-Erfolg mühevoll, aber vielversprechend.
Warum das Turnier in Hamburg eine besondere Bedeutung hat, zeigt der Blick auf das Auslosungstableau. Erstmals seit ihrem French-Open-Triumph stehen die beiden Newcomer, die erst seit diesem Jahr gemeinsam auf der ATP-Tour antreten, im selben Feld wie Jan-Lennard Struff (29/Warstein) und Tim Pütz (31/Frankfurt am Main), die am Mittwoch zum Auftakt 6:4, 6:2 gegen Daniel Altmaier/Johannes Härteis (Kempen/Nürnberg) siegten. Auf der Tour spielt Struff meist mit dem Japaner Ben McLachlan, da sie dank ihrer Weltranglistenposition leichter in die Hauptfelder der großen Turniere kommen. Struff/Pütz haben sich aber als Daviscup-Doppel bewährt, in vier Matches sind sie unbesiegt und spätestens seit dem Fünfsatzsieg im April 2018 in Spanien gegen das Weltklasseduo Feliciano und Marc Lopez eine feste Bank.
Forderung von Boris Becker
Nun jedoch forderten manche Experten, allen voran Boris Becker als Head of Men’s Tennis im Deutschen Tennis Bund (DTB), dass beim Daviscup-Finale in Madrid, das erstmals im neuen Endrundenformat mit Gruppen- und K.-o.-Phase ausgetragen wird, die Grand-Slam-Champions spielen sollten. Die Spieler selbst halten sich dazu bedeckt. Struff/Pütz haben die Herausforderung angenommen, Krawietz/Mies bezeichneten die Diskussion nun in Hamburg als das eingangs beschriebene „Luxusproblem“. Sollte es allerdings am Rothenbaum zum direkten Duell kommen, das erst im Endspiel möglich wäre, „dann wäre es schon besser, wenn wir sie schlagen würden“, sagte Krawietz.
Bundestrainer Kohlmann will in seine Entscheidungsfindung eine Reihe anderer Faktoren einfließen lassen. Da Struff in Madrid angesichts der Absage von Topmann Alexander Zverev (22/Hamburg/Nr. 5), der im Doppel mit Bruder Mischa (31) am Mittwoch 6:4, 3:6, 9:11 gegen Julian Lenz/Daniel Masur (Gießen/Bückeburg) unterlag, als Einzelspieler gesetzt ist, komme der Belastungssteuerung gesteigerte Bedeutung zu. „Einzel und Doppel an fünf aufeinanderfolgenden Tagen könnte zu viel sein.“ Klar sei, dass er in sein fünfköpfiges Aufgebot maximal zwei reine Doppelspezialisten berufen werde, um mindestens einen Ersatzmann fürs Einzel zu haben.
Am Ende des Gesprächs sagt Michael Kohlmann: „Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wir haben zwei Super-Doppel, und wer in den kommenden Monaten die beste Leistung bringt, wird dabei sein.“ Heißt also doch: mehr Luxus als Problem – und Wahl statt Qual.