Frankfurt am Main. Mehr Sportler aus Hamburg wurden noch nie für die Olympischen Sommerspiele nominiert. Unter ihnen sind zahlreiche Medaillenkandidaten.
Auf den Empfang genau dieser Mail haben unzählige Athleten vier Jahre lang hingearbeitet. Am Dienstag traf sie nun endlich ein, die ersehnte Nachricht des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) aus Frankfurt am Main mit der Nominierung für die Sommerspiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August). 451 Sportler, darunter 26 Ersatzstarter, werden Deutschland in Brasilien vertreten. 34 von ihnen kommen aus Hamburg, leben oder trainieren hier – so viele wie noch nie. Vor vier Jahren bei den Spielen in London waren es 24.
„Unser Konzept der Schwerpunktsportarten zahlt sich aus, dass wir nicht mehr mit der Gießkanne, sondern über Jahre sehr gezielt bestimmte Sportler fördern“, sagt Ingrid Unkelbach, die Leiterin des Olympiastützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein mit Hauptsitz im Hamburger Stadtteil Dulsberg. Die fünf Schwerpunktsportarten sind Beachvolleyball, Hockey, Rudern (Außenstützpunkt in Ratzeburg), Schwimmen und Segeln (Kiel).
Den größten Anteil am Hamburger Kontingent haben traditionell die Hockeyspieler. 17 fliegen nach Rio. Und das mit Medaillenchancen. Die deutsche Herrennationalmannschaft gewann 2008 in Peking und 2012 in London Gold, die Damen zuletzt 2004 in Athen. Der Trainer in allen drei Fällen: Markus Weise. Der arbeitet nun konzeptionell für den Deutschen Fußball-Bund. Dennoch: Nach den letzten, guten Turnierergebnissen zählen beide Teams zum Favoritenkreis, das Erreichen des Halbfinales ist für Damen und Herren das erklärte Ziel.
Ludwig und Walkenhorst wollen Edelmetall
Derzeit die Nummer eins in der Welt sind die HSV-Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst. Sie gewannen zuletzt gegen alle direkten Konkurrentinnen. Das macht die beiden zu Medaillenkandidatinnen. Nach Platz neun in Peking und Rang fünf in London hofft Ludwig mit ihrer neuen Partnerin in Rio auf Edelmetall.
Martyna Trajdos vom Eimsbütteler TV ist in der Judo-Weltspitze angekommen. In der Klasse bis 63 Kilo wurde sie im vergangenen Jahr in Baku (Aserbaidschan) Europameisterin, im Dezember gewann sie das Grand-Slam-Turnier in Tokio, in Paris landete sie im Februar bei einem Wettbewerb derselben Kategorie auf Platz drei.
Besondere Freude löste die Mail des DOSB bei Steffen Deibler aus. Der Olympiavierte über 100 Meter Schmetterling hatte sich erst Ende vergangener Woche bei den German Open in Berlin ins Olympiateam geschwommen. Jetzt wurde er nicht nur für zwei Staffeln, sondern auch – wie erhofft – für seine Spezialstrecke nominiert. Sein Leistungsniveau sollte reichen, um erneut ins olympische Finale der besten acht zu schmettern, eine Medaille scheint bei optimalem Verlauf möglich. Viel wird davon abhängen, ob in Rio die Chancengleichheit im Becken gewährt ist, das heißt, ob Deiblers Konkurrenten ebenfalls mehr als zehnmal im Jahr im Training unangemeldet auf Doping getestet worden sind.
Rio als Werbeveranstaltung für Hamburgs Sportler
Das dürfte auch das Kriterium sein, ob Jacob Heidtmann über 400 Meter Lagen aufs Treppchen schwimmen kann. Als WM-Fünfter ist ihm das zuzutrauen, seine sportliche Entwicklung gibt ohnehin zu Optimismus Anlass. Heidtmann startet für das Swim-Team Stadtwerke Elmshorn, machte an der Eliteschule des Sports am Alten Teichweg vor einem Jahr Abitur und trainiert seit Jahren bei Stützpunkttrainerin Petra Wolfram in Dulsberg.
Auch der Boxer Artem Harutyunyan vom TH Eilbeck dürfte bei der Medaillenverteilung im Halbweltergewicht mitschlagen. Als Weltmeister des neu gegründeten Profibereichs APB des Amateurbox-Weltverbandes Aiba sollte er mit Selbstvertrauen in den olympischen Ring steigen.
In London gewannen die Sportler des Teams Hamburg insgesamt sechs Goldmedaillen, fünf die Hockey-Herren, die sechste holte Eric Johannesen mit dem Deutschland-Achter. Der ist auch in Rio de Janeiro wieder für Gold, Silber oder Bronze gut, und Johannesen (RC Bergedorf) sitzt weiter im erfolgreichsten deutschen Ruderboot.
Das Team Hamburg, ein möglicher weiterer Grund für die zunehmenden Erfolge der hiesigen Sportler, fördert seine Olympiakandidaten mit steuerfreien 450 Euro im Monat. Die Finanzierung des Teams wird jedoch immer schwieriger, nachdem der Hamburger Sportbund (HSB) seinen Zuschuss in diesem Jahr von 50.000 auf 25.000 Euro halbiert hat. Rio soll deshalb auch zur Werbeveranstaltung für Hamburgs Vorzeigesportler werden.
Die Olympiastarter: Beachvolleyball: Laura Ludwig/Kira Walkenhorst, Markus Böckermann/Lars Flüggen; Boxen: Artem Harutyunyan; Hockey: Lisa Altenburg, Yvonne Frank (auf Abruf), Eileen Hoffmann, Julia Müller, Janne Müller-Wieland, Pia-Sophie Oldhafer, Katharina Otte (auf Abruf), Kristina Reynolds, Anne Schröder, Charlotte Stapenhorst, Jana Teschke, Florian Fuchs, Moritz Fürste, Tobias Hauke, Nicolas Jacobi, Oliver Korn (auf Abruf), Matthias Müller; Judo: Martyna Trajdos; Leichtathletik: Arne Gabius; Rudern: Eric Johannesen, Torben Johannesen (Ersatz), Lars Wichert; Schwimmen: Steffen Deibler, Jacob Heidtmann, Jenny Mensing, Paulina Schmiedel; Segeln: Erik Heil/Thomas Plößel; Tennis: Alexander Zverev.