Im Heimatort des verstorbenen Rodlers Nodar Kumaritaschwili herrscht Bestürzung. Der Ort Bakuriani steht unter Schock.

Bakuriani/Whistler. Drinnen im Fernsehen läuft unablässig der tragische Unfall seines Sohnes Nodar, doch Dato Kumaritaschwili sitzt einfach nur vor dem Haus auf einer blanken Holzbank und starrt mit leerem Blick in den Schnee. Vater Kumaritaschwili trauert, und mit ihm ein ganzes Land.

Der Tod von Rodler Nodar Kumaritaschwili bei den Olympischen Spielen im fernen Vancouver hat in Georgien tiefe Bestürzung und Fassungslosigkeit ausgelöst. Während die Menschen auf den Straßen der Hauptstadt Tiflis zusammenstehen und einen der Ihren beweinen, sammeln sich immer mehr Anteilnehmende in Kumaritaschwilis Heimatort Bakuriani, wo sie Dato, seiner Frau und deren Tochter kondolieren.

«Bakuriani steht völlig unter Schock. Jeder hier kannte Nodar und hoffte mit ihm für Olympia. Er war doch noch so jung und voller Lebensfreude, so ein guter Junge. Die Familie ist wie benommen», erzählt Giorgi Gavva, ein Freund von Dato Kumaritaschwili. Dessen Bruder Seligs ist Präsident und Trainer der georgischen Rodler.

Bakuriani im Kleinen Kaukasus, etwa 110 km westlich von Tiflis gelegen, gilt als Georgiens Wintersport-Hauptstadt mit einer großen Rodel-Tradition. Kumaritaschwilis Geburtsort Bordschomi ist rund 30 km entfernt - Rodeln war für den kleinen Nodar von Kindesbeinen an der Sport seiner Wahl. «Er gehörte zu den Top 45 der Welt und hatte gute Chancen, bei Olympia in die Top 10 zu kommen», sagt Gavva. Nun ist Georgiens Hoffnung tot. Doch ihr Name soll weiterleben.

Präsident Micheil Saakaschwili hat angekündigt, dass Georgien eine neue Bahn bauen will, die «Nodar-Kumaritaschwili»-Bahn. «Wir wollen seinen Namen ehren und Kindern die Möglichkeit geben, in diesem Sport Fuß zu fassen», sagte Saakaschwili.

Zuvor hatten sich das Staatsoberhaupt sowie Premierminister Nikoloz Gilauri mit dem noch sieben Athleten starken Team getroffen und begrüßt, dass dieses in Kanada bleiben will. «Nodar würde sich über georgische Siege und Erfolge freuen», sagte Saakaschwili. Und Fahnenträger Iason Abramaschwili meinte: «Nodar war unser Kollege und Freund. Unsere Herzen sind bei ihm, wir denken immer an ihn.»

Auch der Rodler Lewan Gureschidse blieb in Kanada, doch es fiel ihm nicht leicht. Er hat sich mit Nodar Kumaritaschwilis ein Zimmer geteilt und am Tag des Unglücks noch mit ihm gefrühstückt. «Lassen Sie mich ein bisschen von Nodar erzählen...», sagte er am Rande der Eröffnungsfeier einem Reporter, ehe ihm die Stimme versagte und er in Tränen ausbrach. Tags darauf verzichtete er auf seinen Start im Rennen.

Georgische Athleten nehmen zum zweiten Mal in Folge unter tragischen Umständen an Olympia teil. Vor eineinhalb Jahren befand sich ihr Land im Krieg mit Russland, als sie in Peking um Medaillen kämpften. «Auch das war ein tragischer Moment, aber bereits damals hat sich das Team entschieden, teilzunehmen. Damals wie heute war es allein die Entscheidung der Athleten», sagte Saakaschwili.

Es war eine Entscheidung für den Sport, der auch das Leben von Nodar Kumaritaschwili war. Nodar soll in den kommenden Tagen zurück in seine Heimat gebracht werden. Nach Bakuriani, wohin er als Held heimkehren wollte. Und sein Vater jetzt auf einer kalten Bank sitzt. (SID/abendblatt.de)