Die Leverkusenerin trat im Degen-Finale gegen die Ukrainerin Jana Schemjakina an. Im letzten Gefecht unterlag sie mit 8:9 im Sudden Death.
London. Die Degenfechterin Britta Heidemann hat dem deutschen Olympia-Team die erste Medaille der Sommerspiele von London beschert. Nach über einstündigem Zittern wegen ihres umstrittenen Last-Second-Sieges im Halbfinale verlor die Peking-Olympiasiegerin im eine Stunde später als geplant gestarteten Finale mit 8:9 im Sudden Death gegen die Ukrainerin Jana Schemjakina. „Natürlich ist die Silbermedaille ein tolles Ergebnis, aber ich hätte sehr gerne auch den letzten Treffer gesetzt“, sagte sie. Nach Einzelgold vor vier Jahren und Teamsilber 2004 in Athen war es die dritte Olympiamedaille für Heidemann.
„Für unsere Mannschaft ist jetzt hoffentlich der Knoten geplatzt“, sagte Michael Vesper als deutscher Chef de Mission und ergänzte: „Natürlich ist das kein schöner Begleitumstand der ersten deutschen Medaille, aber Britta hat sich im Halbfinale sportlich korrekt durchgesetzt.“ Heidemanns Halbfinal-Duell gegen die Südkoreanerin Shin A Lam, eines der dramatischsten Kämpfe der Historie, hatte mit dem ersten großen Eklat der Sommerspiele geendet. Erst nach dem Ausfall der Zeitautomatik, einer über halbstündigen Beratung des Kampfgerichts und einem südkoreanischen Protest war die Deutsche zur Siegerin erklärt worden. Dennoch sagte Heidemann: „Dass die Entscheidung so lange dauert, darf nicht passieren.“
Es habe schon häufig Probleme mit der Uhr gegeben. „Aber ich habe einen ganz normalen Treffer gesetzt“, sagte Heidemann und fügte hinzu: „Ich habe mich schon oft aufgeregt, dass wir nur in Sekunden zählen und nicht in Zehntel oder Hundertstel.“ Sie bewies nicht nur in diesem dramatischen Minuten an diesem Montag im Excel-Center eiserne Nerven. In ihrem ersten Gefecht lag sie gegen die ehemalige Team-Weltmeisterin Bianca del Carretto (Italien) 20 Sekunden vor Schluss eigentlich aussichtslos mit 10:13 zurück, doch sie schaffte den Ausgleich und setzte in der Verlängerung den entscheidenden Treffer.
Auch im Achtelfinale gewann sie genauso hauchdünn gegen die favorisierte Weltmeisterin Li Na mit 14:13. Der Weg Richtung Medaillen war frei, im Viertelfinale konnte sie beim fast ebenso engen 15:12 gegen die Außenseiterin Sarra Besbes (Tunesien) nach eigenen Angaben „Kraft sparen“. Sie sollte sie im Halbfinale und Finale mehr als reichlich brauchen. Daher betonte sie anschließend auch: „Ich habe Silber gewonnen, nicht Gold verloren nach all diesen engen Gefechten.“
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Claudia Bokel, Athletensprecherin und frühere Fechtweltmeisterin, verteilte nach dem Finale die Medaillen und war noch völlig hingerissen: „So spannend ist unsere Sportart. Die erste Medaille für Deutschland – und es ist eine im Fechten. Ich bin sehr glücklich.“
Es ist ein weiteres Kapitel in der unglaublichen Geschichte von Britta Heidemann. 2008 war sie als große Favoritin nach China gereist, wo sie während ihres Studiums lange gelebt hatte. Sie musste Hunderte Interviews in Chinesisch geben, war einer der Stars der Spiele – und hielt dem riesigen Druck stand. Danach schrieb sie ein Buch, machte sich als Unternehmensberaterin selbstständig, wurde zum Werbestar und trat in zahlreichen Fernsehsendungen auf.
„Für Frau Heidemann waren ein paar andere Dinge wichtiger als Fechten“, kommentierte die langjährige Verbandspräsidentin Erika Dienstl. Der Tiefpunkt kam bei den Weltmeisterschaften im Oktober 2011 auf Sizilien mit Platz 126. Doch sie schöpfte neue Motivation und kam zurück. Auf den letzten Drücker qualifizierte sie sich für Olympia und sprach von einem „Geschenk, dass ich hier überhaupt dabei sein darf“.
Sie belohnte sich dann selbst, ganz im Gegensatz zu Chefkritikerin Imke Duplitzer, die nach ihrer Generalabrechnung mit dem deutschen Sportsystem und seinen Topfunktionären nur auf Platz 29 landete. Monika Sozanska belegte Rang zehn. „Soll ich mir jetzt die Augen aus dem Kopf heulen, weil ich gegen die Weltranglistenerste verloren habe?“, fragte die 37-Jährige Duplitzer.
Am Wirbel nach ihren umstrittenen Aussagen habe es jedenfalls nicht gelegen. Vesper, der es nach Meinung von Duplitzer genau wie DOSB-Präsident Thomas Bach „nichts mehr rafft“, klatschte bei ihren Kämpfen auf der Tribüne brav Beifall. Und dass der Zustand des deutschen Leistungssportsystems doch nicht so „niederschmetternd“ wie nach Duplitzers Meinung ist, bewies am Ende Heidemann mit eisernen Nerven – auch wenn es zum ganz großen Erfolg nicht reichte.
Von Lars Becker und Peter Stracke, dapd