Hamburg. Ex-Nachwuchschef Bernhard Peters kritisiert im Abendblatt den DFB, lobt Bundestrainer Flick und verrät ein HSV-Versäumnis.

Über fehlende Beschäftigung kann sich Bernhard Peters nicht beklagen. Der ehemalige Direktor Sport des HSV, der von 2014 bis 2018 für den Nachwuchs im Volkspark verantwortlich war, pendelt zurzeit regelmäßig zwischen seinem Wohnort Berlin und seiner zweiten Heimat Hamburg, in der er 2018 das High Performance Sports Institute (HPSI) gegründet hat.

Zudem arbeitet der frühere Hockey-Bundestrainer als Nachwuchsberater bei Werder Bremen und für den US-Club St. Louis City, der als Neuling in der Major League Soccer gerade die ersten vier Saisonspiele gewonnen hat. Nebenbei tauscht er sich regelmäßig mit den Trainern der deutschen Nationalmannschaft und des FC Bayern München aus, Hansi Flick und Julian Nagelsmann, die er als Sportdirektor bei 1899 Hoffenheim kennen lernte.

Peters’ Meinung ist gefragt. Und er vertritt diese auch klar, zum Beispiel im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“, in dem der 62-Jährige am Dienstag über die Entwicklung im deutschen Fußball spricht. „Ich bin sehr gespannt, wie die neue Zeitrechnung Richtung EM 2024 gestaltet wird. Wir müssen einen Stimmungsumschwung hinkriegen“, sagt Peters, den Jürgen Klinsmann vor der WM 2006 zum DFB holen wollte und der bis 2008 im DFB-Kompetenzteam mitwirkte.

Bernhard Peters kritisiert die Strukturen des DFB

Am kommenden Dienstag wird Peters in Köln auf der Tribüne sitzen, wenn Deutschland gegen Belgien erstmals seit der verkorksten WM in Katar wieder auf eine große Fußballnation trifft. Peters gilt als enger Vertrauter von Flick. Der Bundestrainer sei weiterhin der richtige Mann hinsichtlich der Heim-EM 2024. „Hansi hat große Stärken in der emotionalen Bindung zu den Spielern, wie er eine Atmosphäre kreiert, wie er alle wertschätzend mitnimmt“, sagt Peters.

Das Vorrunden-Aus in Katar sei im Rückblick nicht Flick anzulasten. „Der DFB hat die Mannschaft sportpolitisch naiv ins offene Messer laufen lassen. Das hat unheimlich davon abgelenkt, den Fokus auf das Gewinnen zu legen“, sagt Peters rückblickend über die Diskussionen um die One-Love-Binde und die Kritik an Gastgeber Katar.

Ohnehin nimmt Peters in seiner Einschätzung über den DFB und dessen Präsidenten Bernd Neuendorf kein Blatt vor den Mund. „Der DFB ist falsch aufgestellt und läuft mit seinem Präsidialsystem der Musik hinterher. Man muss merken, dass es eine andere Struktur geben muss. Es braucht dringend einen kompetenten hauptamtlichen Vorstand“, sagt Peters. „Es fehlt ein hochkompetenter Manager, der die Leute führen kann mit einer klaren Systematik.“

Welche Fehler der DFB nach 2014 gemacht hat

Seit dem WM-Titel 2014 habe es im deutschen Fußball eine zu große Zufriedenheit gegeben. „Wenn man Erfolg hat, muss man Dinge umstellen, bewusst neue Reizpunkte setzen und Hierarchien und Inhalte verändern. Man muss sich immer wieder neu selbst übertreffen. Wenn man diesen Mut nicht hat, kommt das heraus, was nach 2014 herausgekommen ist“, sagt Peters.

Den neuen Sportdirektor Rudi Völler hält Peters als Nachfolger von Oliver Bierhoff für eine gute Wahl. „Rudi Völler ist der geeignete Projektleiter, um Spieler, Fans und Medien bei der Veränderung des Mindsets positiv mitzunehmen.“ Auch Peters wurde medial als Nachfolger von Bierhoff gehandelt. Konkrete Gespräche habe es aber nicht gegeben. Ideen, um vor allem die Nachwuchsarbeit in Deutschland wieder voranzubringen, hätte Peters viele. Schon in seiner Zeit beim HSV hatte der erfolgreiche Hockey-Coach in der Jugend viel bewegt und das fertige Konzept für das neue Nachwuchsleistungszentrum komplett umgeplant.

Peters verrät: HSV wollte Nagelsmann holen

Viel hätte auch nicht gefehlt und Peters hätte den heutigen Bayern-Trainer Nagelsmann zum HSV geholt. Peters verrät im Podcast, wie er im Frühjahr 2016 im Fischereihafen-Restaurant mit den HSV-Managern Peter Knäbel und Dietmar Beiersdorfer sowie dem damaligen Hoffenheimer U-19-Trainer Nagelsmann zusammensaß. „Ich war überzeugt von ihm. Er wäre schon damals der richtige Trainer für die Profimannschaft des HSV gewesen.“

Doch Knäbel und Beiersdorfer wollten den damals erst 28-Jährigen nur für die zweite Mannschaft holen. Nagelsmann sagte ab. „Zwei Wochen später hat Dietmar Hopp den Mut gehabt, ihn zum Profitrainer bei Hoffenheim zu machen in einer sehr schwierigen Situation. Er hat es allen gezeigt, und er hätte es auch in Hamburg gezeigt, wenn man den Mut gehabt hätte. Ich bin überzeugt, dass er das Angebot angenommen hätte.“

Kennen und schätzen sich: Der damalige Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann (l.) und Bernhard Peters, seinerzeit Direktor Sport beim HSV, im April 2018.
Kennen und schätzen sich: Der damalige Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann (l.) und Bernhard Peters, seinerzeit Direktor Sport beim HSV, im April 2018. © Witters | Unbekannt

Noch immer tauscht sich Peters regelmäßig mit dem heutigen Bayern-Trainer aus. „Es ist nicht einfach für ihn. Ich finde, dass er es sehr gut macht und den Überblick behält.“ Ob Nagelsmann mal Bundestrainer wird? „Da bin ich mir nicht sicher. Er ist erst 35. Wenn er noch zehn Jahre Trainer bleibt, wäre das schon viel, weil der Job extrem viel Energie frisst. So wie ich ihn kenne, würde er sich irgendwann eher einen alten Bauernhof kaufen und sich zurückziehen.“

Peters traut Pit Reimers den Profifußball zu

Beim HSV hält Peters vor allem noch mit dem aktuellen U-21-Trainer Pit Reimers (39) Kontakt, der mit der Regionalligamannschaft eine starke Saison spielt. Peters war ein großer Förderer des Fußballlehrers und traut diesem den Sprung in den Profifußball zu. „Er ist auf einem sehr guten Weg und kann das schaffen. Er sollte noch mehr klarere Kante bekommen in seiner Persönlichkeit. Aber man wächst mit seinen Aufgaben. Bei Horst Hrubesch ist er in guten Händen.“

Der Nachwuchsexperte wünscht sich in Deutschland mehr Kreativität und Mut in der Ausbildung. Aber auch die Talente selbst kritisiert er. Viele junge Spieler neigen zu früh zur Selbstzufriedenheit. In Peters’ Zeit beim HSV wurden Josha Vagnoman und Fiete Arp zu zwei der jüngsten Bundesligaprofis der Clubgeschichte. Insbesondere im Fall Arp seien Fehler gemacht worden. „Solche Spieler werden zu früh gehypt. Dafür bedarf es einer anderen Begleitung. Das kann man sicher besser machen“, sagt Peters auch selbstkritisch.

Seine Arbeit geht in Kürze auch wieder in Hamburg weiter. In seinem HPSI begrüßt er Ende April Gäste wie Ex-HSV-Vorständin Katja Kraus und St. Paulis Präsidenten Oke Göttlich. Eines mag Peters auch mit 62 nicht: Stillstand.