Hamburg. Hamburgs Konkurrenz um den Aufstieg liegt eng beisammen wie selten zuvor. Und der Gegner ist ein Spiegelbild der 2. Bundesliga.
Die Stimmung stimmte, als der HSV am Freitag in das Abschlusstraining startete. Am Tag vor dem Spiel am heutigen Sonnabend bei Darmstadt 98 (13 Uhr/Sky und im Liveticker auf Abendblatt.de) sangen die Hamburger Profis im Volkspark zunächst ein Ständchen für Geburtstagskind Josha Vagnoman, danach wurde gelacht und geflachst. Das Trainerteam um Chefcoach Daniel Thioune war bemüht, in der Mannschaft eine positive Energie zu erzeugen.
Die wird nötig sein am Sonnabend im Merck-Stadion am Böllenfalltor. Sie wird nötig sein in den Tagen bis Weihnachten. Und sie wird nötig sein in den Monaten bis zum letzten Spieltag am 23. Mai. Nach der Partie in Darmstadt ist bereits ein Drittel der Saison absolviert.
Und schon jetzt deutet sich an, dass die Zweite Liga so eng werden wird wie selten zuvor. Als Tabellenvierter liegt HSV-Gegner Darmstadt aktuell einen Punkt vor dem Relegationsplatz 16. Mit einem Sieg könnte das zweitbeste Team der vergangenen Rückrunde auf zwei Punkte an den HSV heranrücken. Die Hamburger wiederum könnten mit einem Erfolg in Darmstadt unter Umständen zurück in die Aufstiegszone klettern.
HSV-Gegner Darmstadt 98 Spiegelbild der 2. Liga
Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag der spätere Aufsteiger Arminia Bielefeld nach zehn Spielen als Dritter bereits fünf Punkte vor dem Fünften. So viele Zähler trennen die Hamburger aktuell von Hannover 96 auf Platz 13. Herrlich verrückte Zweite Liga. Und kaum ein Verein vermittelt diese Ausgeglichenheit derzeit so gut wie der HSV-Gegner aus Hessen. „Darmstadt ist wie ein Spiegelbild der Liga“, sagte Hamburgs Trainer Thioune vor dem Duell gegen Markus Anfangs Mannschaft.
Recht hat Thioune. Darmstadt gewinnt mal 3:2 in Nürnberg, verliert mal 0:4 gegen Paderborn und gewinnt dann wieder 4:0 gegen Braunschweig. Konstant ist nur die Inkonstanz. Ganz anders der HSV: Auf den Startrekord mit fünf Siegen in Serie folgte die Sieglosserie von fünf Spielen. Wie schon in den vergangenen zwei Spielzeiten kämpft der Club gegen die Tücken der Zweiten Liga. Denn auf eines kann sich Thiounes Mannschaft verlassen: Gegen den HSV ist jeder Gegner auch im dritten Jahr der Hamburger Zweitligazugehörigkeit besonders motiviert.
Darmstadts Trainer erinnert der HSV an Köln
Ein Problem, an das sich Darmstadts Trainer noch gut erinnert. Markus Anfang betreute in der Saison 2018/19 den großen Favoriten 1. FC Köln und lag trotz aller Schwierigkeiten drei Spieltage vor Schluss fünf Punkte vor Platz zwei, ehe er überraschend aus sportlichen Gründen entlassen wurde. „Ich kenne das selbst, wenn man als Favorit durch die Liga gehen muss. Das ist eine sehr schwierige Situation“, sagte Anfang nun vor dem Spiel gegen den HSV. „Gerade die Hamburger wissen, wie schwer es in dieser Liga ist, aufzusteigen. Das hat der VfB Stuttgart im vergangenen Jahr gemerkt, das haben wir in Köln gemerkt. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass man durch die Liga jagt.“
Mit Köln hatte Anfang diese Probleme in der Liga trotz der 20 Saisontore von Jhon Cordoba und der 29 Treffer von Simon Terodde. Am Sonnabend trifft er nun mit Darmstadt als Gegner auf den Rekordtorschützen der Zweiten Liga. „Ich durfte Simon als Trainer selbst erleben. Seine 29 Tore unter meiner Regie zeigen einfach, welche Qualitäten er hat.“
Hamburger Dursun bester Darmstäder Schütze
Aber auch Anfang hat einen Stürmer mit ähnlichen Fähigkeiten in seinem Team. Der in Hamburg geborene und bei Lorbeer Rothenburgsort und Concordia Hamburg ausgebildete Serdar Dursun ist der beste Torschütze des Kalenderjahres (16 Tore). Aktuell liegt er mit sieben Saisontreffern nur knapp hinter dem führenden Terodde (9).
HSV-Trainer Thioune hofft, dass nach Wochen voller Wechseln und veränderten Aufstellungen das vor der Saison angedachte Gerüst mit Terodde, Sven Ulreich, Toni Leistner und Klaus Gjasula stabil wird. Thioune war zuletzt ein wenig in die Kritik geraten, nachdem er gegen Hannover mit Manuel Wintzheimer den formstärksten Spieler zunächst auf der Bank gelassen hatte – und sich damit verzockte. Nach fünf Spielen ohne Sieg braucht auch der Trainer Ergebnisse, um Diskussionen um seine Person zu vermeiden. Thiounes Plan: „Wenn es bis Weihnachten neun Punkte sind, sitzen wir wieder mit einem besseren Gefühl unterm Weihnachtsbaum.“
Und wenn nicht? Dann wird sich die gute Stimmung, die das Trainerteam am Freitag vor der Reise nach Darmstadt vermittelte, schnell wieder drehen. Die sportliche Führung will in jedem Fall weiter die Ruhe bewahren. Weil sie weiß, wie schnell sich in dieser verrückten Zweiten Liga alles wieder verändern kann. Genauso wie man in Hamburg weiß, was bei einer weiteren Niederlage – es wäre die vierte in Folge – passieren kann. „Uns allen täte es gut, wenn wir jetzt wieder Spiele gewinnen“, sagte Thioune. Den Anfang macht er am besten an diesem Sonnabend.
Darmstadt: Schuhen – Pfeiffer, Höhn, Mai – Herrmann, Schnellhardt, Holland – Paik, Kempe, Mehlem – Dursun.
HSV: Ulreich – Vagnoman, Leistner, Ambrosius, Leibold – Gjasula, Heyer – Narey, Dudziak, Wintzheimer – Terodde.